Kurier

Getragen von der Musik und Poesie

Der Liedermach­er über sein mutmachend­es Publikum, ein herrschaft­sfreies Miteinande­r und wie wichtig Gleichbere­chtigung wäre

- VON LISA TROMPISCH

Der singende Poet Konstantin Wecker (74) ist jetzt gleich zweimal in Wien. Morgen, Dienstag, bei der ORF-Late-Night-Show „Willkommen Österreich“und am 20. Dezember tritt er mit seinem Programm „Utopia“

(so heißt auch seine neue CD) im Wiener Konzerthau­s auf.

„Ich habe alleine deswegen schon einen starken Bezug zu Wien, weil ich von Anfang an meiner Laufbahn als Musiker und Liedermach­er immer schon hier aufgetrete­n bin, auch gemeinsam mit Georg Danzer (њ2007), Wolfgang Ambros, Rainhard

Fendrich. Viele Norddeutsc­he meinten ja eine lange Zeit, ich sei Österreich­er“, erzählt er lachend im KURIER-Gespräch.

„Dazu kommt aber noch, dass Wien eine unglaublic­he Kulturstad­t ist. Man merkt am Wiener Publikum auch, dass es gut zuhören kann und will.“Und das sollte man bei ihm auch ganz genau, denn er hat sehr viel zu sagen. Herrschaft­sfrei

Mit seinem neuen Werk „Utopia“(John Lennons „Imagine“hat ihn dazu inspiriert) wünscht er sich ein „herrschaft­sfreies Miteinande­r“. „Wenn wir ganz ehrlich sind, in den letzten Jahrtausen­den – von Caligula bis Trump – sind wir von soziopathi­schen Männern in die Irre geleitet worden und gezwungen worden, Dinge zu tun, die Menschen vielleicht gar nicht tun wollten. Wer hat denn die Erde so zerstört und alles kaputtgema­cht, was zu einem Miteinande­r eigentlich gehört? Ob die Tierwelt oder die Pflanzenwe­lt. Und es waren zu 99 Prozent Männer. Das ist das Patriarcha­t gewesen. Wir werden keine Zukunft haben, wenn nicht irgendwann eine Gleichbere­chtigung passiert“, ist er sich sicher.

Konstantin Wecker möchte auch Mut machen, alte Denkmuster zu durchbrech­en. „Ja, das ist das, was die Kultur immer schon konnte. Und wahrschein­lich nur die Kultur. Machtgetri­eben will man sich alter Denkmuster bedienen und mit alten Denkmuster­n kann man kein neues Zusammense­in erschaffen. Und vor allem, was wichtig ist an diesem utopischen und auch anarchisch­en Gedanken – das Wort Anarchie wird ja ständig missbrauch­t, als sei das nur Chaos, Verwüstung und Terror. Anarchie ist die Sehnsucht nach Ordnung ohne Herrschaft.“

Natürlich brauche man aber auch eine gewisse Ordnung. „Ich sage immer, wenn wir mit ein paar Leuten eine Kommune gründen würden, dann würden wir nicht zuerst nach einem Führer schreien. Wir würden schauen, wie jeder gleichbere­chtigt miteinande­r auskommen kann.“

Seine Inspiratio­n zu seinen Liedern und Texten holt sich der gebürtige Münchner „aus den Tiefen des Selbst“. „Es gibt einen wunderbare­n Vierzeiler von Mascha Kaléko (њ1975), einer jüdischen Dichterin, die ich sehr verehre: Mein schönstes Gedicht, ich schrieb es nicht, aus tiefsten Tiefen stieg es, ich schwieg es. Das finde ich so schön. Das beschreibt wirklich, wie es mir passiert.“Den Drogen hat er längst abgeschwor­en, heute treiben ihn ganz andere Sachen an – vor allem sein Publikum, er liebt es, auf der Bühne zu stehen.

Mut durchs Publikum

„Es gibt ein paar Kollegen, die haben Angst auf die Bühne zu gehen und haben großes Lampenfieb­er. Das war bei mir nie der Fall. Und ich sage ja auch, wenn viele Leute zu mir kommen und mir sagen, dass ich ihnen mit meinen Liedern und Texten Mut mache, dass mir mein Publikum seit Jahrzehnte­n auch Mut macht. Ich glaube, wenn ich mein Publikum nicht gehabt hätte, wäre ich ein zynischer, verbittert­er alter Schreiberl­ing geworden.“

Auf der Bühne sei er auch angstfreie­r als im normalen Leben. „Ja, eigentlich schon, weil ich getragen bin von der Musik und der Poesie und natürlich auch von der geistigen Umarmung des Publikums.“

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Am 20. Dezember tritt Konstantin Wecker im Wiener Konzerthau­s auf
 ?? ?? Konstantin Wecker drückt mit seiner neuer CD die „Sehnsucht nach einem herrschaft­sfreien Miteinande­r“aus
Konstantin Wecker drückt mit seiner neuer CD die „Sehnsucht nach einem herrschaft­sfreien Miteinande­r“aus
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