Kurier

Der Weg vom Bub zum Mann, skizziert in 13 Rock-Songs

Elvis Costello vertont sein Erwachsenw­erden

- BRIGITTE SCHOKARTH

Neues Album. Penelope Halfpenny ist eine Lehrerin. Aber die junge Frau aus dem gleichnami­gen Song von Elvis Costellos neuem Album „The Boy Named If“macht ihren Job nicht mit Freude. Sie sehnt sich nach einem anderen Leben, nach mehr Dramatik, als einem Haufen pubertiere­nder Teenager englische Literatur beizubring­en.

Natürlich ist Penelope Halfpenny eine fiktive Figur, keine reale Lehrerin, die den als Declan McManus in London geborenen Musiker in den 60er-Jahren unterricht­et hat. Die Erfahrung mit derartigen Lehrerinne­n aber ist echte Jugendzeit und eine von 13 Erinnerung­en den Prozess des Erwachsenw­erdens, die Costello für dieses 32. Studio-Album vertont hat.

„Diese Songs sind eine Sammlung von Schnappsch­üssen, die uns von den letzten Tagen des Kindseins zu dem demütigend­en Moment tragen, wenn man gesagt bekommt: ,Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen!’“, sagt der 67-Jährige, der mit seiner Frau, der Jazzmusike­rin Diana Krall, in Kanada lebt. „Es geht um die Zeit, als ich noch nicht wusste, was ein Kuss bedeuten kann, und alles, was noch kommen würde, geheimnisv­oll war. Und es geht um das Verlassen dieses magischen Zustands namens Unschuld und den schmerzlic­hen Weg hin zu, Freude und Zufriedenh­eit.“

Imaginär

Der im Titel beschriebe­ne Bub namens „ob“steht dabei für den imaginären Freund, den Kern jedes Menschen, der „weiß, was man selbst verleugnet“. Musikalisc­h untermalt hat Costello diese Storys mit vorwärtstr­eibenden Rhythmen, rohen Gitarren und markanten Melodien, die die unbeschwer­te Lebensfreu­de der Rock-’n’-Roll-Ära aufleben lassen.

Aber er hat „The Boy Named If“auch noch anders illustrier­t: Eine limitierte Auflage der Vinyl-Ausgabe wird mit einem 88-seitigen Buch ausgeliefe­rt, für das Costello zu jedem Song eine gleichnami­ge Kurzgeschi­chte geschriebe­n hat, die entweder die Vorgeschic­hte oder den Hintergrun­d zu den Charaktere­n in den Songs liefern. Über „Penelope Halfpenny“erfährt man da etwa, dass sie einmal Journalist­in war, darin aber nicht erfolgreic­h, dass sie anstatt zu lehren lieber eine Spionin wäre.

Das Buch enthält zusätzlich aber auch noch Zeichnunge­n der fiktiven Charaktere, die diese Songs bevölkern. „Die Idee, zu meinen Songs solche Kurzgeschi­chten zu schreiben, hatte ich schon vor vielen Jahren“, erkläre Costello im Interview mit dem Rolling Stone. „Dass die Zeichnunge­n dazukamen, lag daran, dass meine Mutter, die voriges Jahr gestorben ist, schon länger krank war. Ich habe also viel Zeit damit verbracht, bei ihr zu sein. Aber weil sie gegen Ende zu schwach war, um mit mir zu reden, saß ich einfach nur bei ihr. Gitarre spielen konnte ich nicht, das hätte sie gestört. Also habe ich begonnen, zu zeichnen. Das hat mich beruhigt und war eine gute Möglichkei­t, meine Vorstellun­gskraft auf eine weitere Art auszuleben.“

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