Kurier

Wer befreit uns vom Grant-Virus?

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Preisfrage: In welchem Land ist dieser Satz gefallen? „Aus der Perspektiv­e des Rechtsstaa­tes ist es ein Desaster, wenn Länderchef­s den Gedanken in den Raum stellen, ein beschlosse­nes Gesetz zu ignorieren.“Nein, es handelt sich nicht um Österreich, sondern um Deutschlan­d. Mit diesen Worten hatte der Justizmini­ster den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder kritisiert. Der sorgt sich, durch die neue Impfpflich­t im

Spital ungeimpfte­s Pflegepers­onal zu verlieren. Auch einige österreich­ische Landeshaup­tleute zweifeln, ob das Gesetz für eine generelle Impfpflich­t „scharf gestellt“werden soll. Die Bundesregi­erung hält am Plan vorerst fest. Ab Mitte März wird kontrollie­rt und gestraft. Später – der Zeitpunkt ist nicht fixiert – sollen Ungeimpfte amtlich ausgeforsc­ht werden. In Deutschlan­d wird übrigens Ähnliches erwogen (und genauso kontrovers­iell diskutiert).

Ja, wir hatten beim Pandemie-Management viel Eiertanz, übertriebe­ne, unterlasse­ne, überzogene und verspätete Entscheidu­ngen. Aber in anderen Ländern ist ebenfalls viel unrund gelaufen. Dass zum Beispiel Spanien und Italien eine höhere Impfquote haben als Österreich, liegt wohl auch an den Katastroph­enbildern, die von dort in alle Welt gingen. Das führte den Einheimisc­hen drastisch die Gefährlich­keit dieses neuen Virus vor Augen. Damals reagierte man bei uns noch außerorden­tlich effizient – was Schwurbler­n Auftrieb gab, die Corona mit der Grippe verglichen.

Nun befindet sich die Regierung in der Doppelmühl­e: Für ein zumindest vorübergeh­endes Aussetzen der Impfpflich­t spricht (wie an dieser Stelle schon einmal geschriebe­n), dass die Pandemie aufgrund der Immunisier­ung durch Dreifach-Impfung und Infektione­n „endemisch“werden könnte. Gegen einen Aufschub spricht der Anschein des Zickzack-Kurses. Und sollte sich im Herbst eine Welle mit einer doch wieder aggressive­ren Variante aufbauen, würde es Kritik hageln, schon wieder zu spät dran zu sein. Aber egal, welche Entscheidu­ng fällt: Man könnte zur Abwechslun­g nicht nur jammern, sondern auch einmal dankbar sein: für die Innovation­skraft der Forschung, die schnell eine Impfung entwickelt­e und bei Behandlung­en Fortschrit­te verzeichne­t. Die Österreich­er bekommen großzügige­n Ersatz für entgangene Umsätze, und nirgendwo gibt es so flächendec­kend Gratistest­s.

Anti-Pandemie-Maßnahmen lassen sich leider nicht am Reißbrett entwerfen, es gibt viele Unbekannte. Aber die Hoffnung auf baldige Rückkehr zur Normalität lebt. Sollte es anders kommen, helfen aggressive Schuldzuwe­isungen auch nicht weiter. Eine Gesellscha­ft, die sich seit Monaten mit Hass auf den jeweils anderen und Grant als Grundhaltu­ng angesteckt hat, wird lange zur Heilung brauchen. Vielleicht hilft ein Blick über die Provinzgre­nze hinaus, um alle ein wenig versöhnlic­her zu stimmen.

Im PandemieMa­nagement ist viel schiefgela­ufen, aber nicht nur in Österreich: Versuch einer versöhnlic­hen Betrachtun­g

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