„Brauchen die Impfpflicht für den Herbst“
Stippvisite in Berlin. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner traf den SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er will, dass der deutsche Bundestag die Impfpflicht beschließt. Sie will, dass Österreich das Gesetz umsetzt
Pamela Rendi-Wagner hat vier Berufe: Epidemiologin, Parteichefin, Klubchefin und Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat. Den Donnerstag dieser Woche verbringt RendiWagner in Berlin. Und sie trifft dort Kollegen in allen ihren vier Berufen.
Höhepunkt des Besuchsprogramms ist das Treffen mit Karl Lauterbach, dem bekannten deutschen Epidemiologen, der in der neuen deutschen Ampelkoalition zum Gesundheitsminister avanciert ist.
Zum Fachsimpeln sind Rendi-Wagner und Lauterbach seit Ausbruch der Pandemie in Kontakt, über Videokonferenz oder auf kurzem Weg am Handy. Die Beziehung zahlt sich werbetechnisch für Rendi-Wagner aus: Beim Besuch in Berlin setzt der Deutsche spontan ein Zeichen der Wertschätzung, indem er mit seiner Besucherin gemeinsam vor die Medien tritt.
Deutschland lockert ab 20. März die Pandemie-Maßnahmen, die FFP2-Masken bleiben jedoch. „Wir bleiben auf einem vorsichtigen Kurs.
Wir haben es geschafft, die Infektionszahlen trotz Omikron nicht über 250.000 tägliche Neuinfektionen steigen zu lassen, und das hat dazu geführt, dass wir nicht so viele ältere Menschen verloren haben.“
Österreich öffnet bereits am 5. März und schafft auch die Maskenpflicht teilweise und die Gratistests großflächig ab. Rendi-Wagner sagt, sie trage die Öffnungen mit, aber: Die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen sollte erhalten bleiben, und das großflächige Testen sei weiterhin wichtig, um die Entwicklung der Infektionslage überblicken zu können.
Welle in Sicht
Lauterbach ist ein entschiedener Befürworter der Impfpflicht und kämpft dafür, dass sie im Herbst im Bundestag beschlossen wird. „Ich hoffe, wir schaffen das“, sagt er. Sie sagt, in Österreich müsse die Impfpflicht so, wie es im Gesetz steht, umgesetzt werden. Immerhin hat die SPÖ die Impfpflicht mit der Regierung mitbeschlossen.
Bestrebungen der ÖVP, die Impfpflicht auszuhebeln, indem man sie auf unbestimmte Zeit aussetzt, erteilt Rendi-Wagner eine Absage: „Wir müssen uns auf den Herbst vorbereiten, damit sich das, was uns schon zwei Mal passiert ist, nicht ein drittes Mal wiederholt.“Die Herbstwelle komme auch heuer bestimmt.
Als generelle Lehren für künftige Pandemien nimmt Rendi-Wagner aus dem Gespräch mit Lauterbach drei Punkte mit: Produktionsstätten für Medikamente und Schutzausrüstung aus Asien zurück nach Europa zu verlagern; eine Zentrale für Öffentliche Gesundheit einzurichten, wo alle Daten zusammenlaufen und von wo aus Pandemiemanagement zentral gesteuert werden kann; einen ständigen Expertenrat einzurichten, der die Regierung laufend berät.
Mit Michael Roth, dem Vorsitzenden des deutschen Außenpolitischen Ausschusses, bespricht Rendi-Wagner die neuesten Entwicklungen in der Ukraine-Krise. Sie qualifiziert die jüngste Deeskalation als Erfolg des deutschen Kanzlers Olaf Scholz. Nun gelte es, die nach wie vor labile Situation abzusichern, indem alle bestehenden Gesprächsformate intensiv genutzt werden.
Deutschland wolle auch die OSZE (mit Sitz in Wien) verstärkt einsetzen, was allerdings den Haken hat, dass Russland nicht Mitglied ist. Rendi-Wagner: „Da wird noch Überzeugungsarbeit notwendig sein.“
Die Gespräche mit Fraktionschef Rolf Mützenich und SPD-Chef Lars Klingbeil nutzt Rendi-Wagner, um Kooperationen und gemeinsame Auftritte von SPD und SPÖ zu vereinbaren. Denn schließlich hat die SPD etwas geschafft, was Rendi-Wagner erst gelingen muss: plötzlich Kanzlerin zu sein.