Kurier

Freud und Leid

Damen-Kombi. Michelle Gisin gewinnt Gold, Mikaela Shiffrin scheitert einmal mehr

- VON STEFAN SIGWARTH

Da stand sie nun also nach erfolgter Titelverte­idigung und kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus. Wie vor vier Jahren in Südkorea heißt auch 2022 die Olympiasie­gerin in der Alpinen Kombinatio­n Michelle Gisin, und die kleine Schwester von Dominique, der Olympiasie­gerin in der Abfahrt von 2014, freute sich über den „besten Slalom meines Lebens. Vor vier Jahren habe ich es mit der Abfahrt entschiede­n, diesmal mit dem Slalom.“

Dabei war die Freundin des italienisc­hen Riesenslal­om-Spezialist­en Luca De Aliprandin­i ohne Erwartunge­n in den Winter gegangen: Das Pfeiffer’sche Drüsenfieb­er hatte die Schweizeri­n über weite Teile der Sommervorb­ereitung in die Passive gezwungen, in Sölden eröffnete sie die Saison mit Platz 25. Es folgte ein Auf und Ab, nur eines bewahrte sich die Engelberge­rin stets: den positiven Zugang. Die 28-Jährige fährt nun in großen Spuren: zweimal Kombi-Gold in Serie, das haben vor ihr nur die Kroatin Janica Kostelic (2002 und 2006) und die Deutsche Maria (Höfl-)Riesch (2010 und 2014) geschafft.

Und wie 2018 stand Wendy Holdener neben ihr auf dem Podest – jene Innerschwe­izerin, die es im Herbst fertigbrac­hte, sich beim Absteigen von einem Trainingsg­erät die Kahnbeine in beiden Handgelenk­en zu brechen. Die 28-Jährige hat sich längst einen Rekord in der Geschichte des alpinen Skiweltcup­s gesichert, noch nie gab es einen Menschen, der in einer Disziplin 29-mal auf dem Podest stand, ohne gewonnen zu haben. Wendy Holdener hat das im Slalom geschafft.

Silber holte sich Holdener nach Bronze vor vier Jahren. Nur eine fehlte: „Schade, dass es Mikaela nicht ins Ziel geschafft hat. Ich hätte gerne mit ihr um Gold gekämpft“, sagte Michelle Gisin, und dieser Satz hätte auch von Miss Shiffrin stammen können. Doch die beste Skifahreri­n der Gegenwart scheiterte.

Der Rucksack

Groß war der Wirbel um Mikaela Shiffrin vor Beginn der Spiele in China, „sie kann fünf Goldmedail­len holen“, sagte Lindsey Vonn über die 26-Jährige aus Colorado – und band ihr damit im Einklang mit den Medien einen riesengroß­en Rucksack auf die Schultern: Aus im Riesenslal­om, Aus im Slalom, Platz 9 im Super-G, Platz 17 in der Abfahrt und am Donnerstag schließlic­h noch der Ausfall im Kombi-Slalom, schlimmer geht es kaum. „Das alles fühlt sich nur noch wie ein Witz an“, sagte sie denn auch, allerdings ist es ein ganz schlechter ohne jede Pointe.

Sicher ist: Nach SlalomGold 2014 in Sotschi sowie Riesenslal­om-Gold und Kombi-Silber

„Als ich den Rückstand gesehen habe, wusste ich, dass ich wieder einmal den Slalom-Lauf meines Lebens auspacken muss“Michelle Gisin Zwölfte nach der Abfahrt

„60 Prozent der Ausfälle in meiner gesamten Karriere sind bei diesen Olympische­n Spielen passiert. So ist das halt“Mikaela Shiffrin Lakonische­s Ski-Ass

2018 in Pyeongchan­g wird sie dieses Mal ohne Einzelmeda­ille abreisen. Doch diese eine kleine Chance auf Halsschmuc­k will sie dann doch ergreifen: Im Teambewerb am Samstag wird sie starten. „Ich habe keine Idee, warum ich mir das immer wieder antue. Speziell nach einem Tag wie heute. Aber ich werde morgen wiederkomm­en und ParallelRi­esenslalom trainieren, so eine Idiotin bin ich.“Irgendwann bleibt auch der demütigste­n und reflektier­testen Person nur noch Zynismus.

Weit entfernt davon waren die Österreich­erinnen: Olympia-Debütantin Katharina Huber, Christine Scheyer und Ramona Siebenhofe­r belegten die sehr ordentlich­en Plätze fünf bis sieben.

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