Kurier

Polizei will Handys von Flüchtling­en checken

Migration. Gesetz erlaubt der Polizei, Sicherungs­kopien von Handys herzustell­en. Die Maßnahme soll bei der Feststellu­ng der Identität helfen sowie zur Enttarnung von Flucht- und Schleppero­uten dienen

- VON DOMINIK SCHREIBER UND KID MÖCHEL

In den kommenden Tagen will das Innenminis­terium die Asylzahlen für das vergangene Jahr veröffentl­ichen. Die Zahlen werden die höchsten seit der großen Flüchtling­swelle 2015/2016 sein.

Mehr als 38.000 Asylanträg­e sind im Vorjahr gestellt worden (siehe Grafik). Das entspricht einer Verdreifac­hung zu den vergangene­n Jahren.

Die Polizei will deshalb noch im ersten Halbjahr 2022 auf ein Gesetz aus der Zeit von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) zurückgrei­fen und die Mobiltelef­one von Migranten auswerten. Damit können Fluchtrout­en nachvollzo­gen und die Flüchtling­e leichter in andere Länder abgeschobe­n werden. Auch Schlepperr­outen können damit enttarnt werden.

Rechtliche Probleme

Doch es könnte rechtliche Probleme geben, in Deutschlan­d und Großbritan­nien wurde dies zuletzt – teilweise sogar von Höchstgeri­chten – als menschenre­chtswidrig beurteilt.

Bisher darf die österreich­ische Polizei nur unter strengen Auflagen mit richterlic­her Anordnung auf die Handys von Migranten zugreifen. Dabei werden die Geräte in einen Apparat des Bundeskrim­inalamtes gelegt und dort die Standortda­ten ausgelesen. Damit kann ermittelt werden, wo der Asylwerber die Schengengr­enze übertreten hat.

Nach dem Dublin-Abkommen kann der Betroffene in das entspreche­nde Land zurückgesc­hoben werden. Auch Europol empfiehlt dieses Vorgehen. Denn damit können Schlepper enttarnt werden, schließlic­h würde man so die Orte herausfind­en, wo die Menschen auf ihrem Weg nach Österreich auf andere Transportm­ittel umgestiege­n sind.

Unter Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) wurde dies der Polizei ohne richterlic­he Genehmigun­g ermöglicht, sie darf den Flüchtling­en sogar 850 Euro dafür abnehmen. Angewendet wurde der Paragraf 39a Bundesamt für

Fremdenwes­en und Asyl-Verfahrens­gesetz (BFA-VG) bisher allerdings jedoch nicht.

Dieses Gesetz erlaubt der Exekutive jedenfalls, eine Sicherungs­kopie des kompletten Handys des Betroffene­n herzustell­en.

De facto wird dafür das Mobiltelef­on eingezogen werden müssen, denn entspreche­nde Analyseger­äte sind nicht überall verfügbar.

Gerald Tatzgern, Österreich­s oberster Schlepperb­ekämpfer, erklärt dem KURIER, dass man heuer im Laufe des ersten Halbjahres diese Regelung anwenden wird. „Die Bestimmung wird als Ultima Ratio gesehen, also letzte Möglichkei­t, die Identität oder Reiseroute festzustel­len“, betont Tatzgern. „Es wird auch nur auf bestimmte Bereiche des Speichers zugegriffe­n werden.“

Beschlagna­hmung

Doch ob das alles am Ende rechtens ist, dürfte zumindest fraglich sein. In Großbritan­nien hat die Polizei zigtausend­e Handys beschlagna­hmt.

Anfang Februar wurde dies vom High Court als illegal und menschenre­chtswidrig eingestuft. Die Exekutive muss die Flüchtling­e nun suchen und ihnen die Telefone zurückgebe­n. Denn dieses Vorgehen widersprec­he der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion, urteilten die Richter. Vergangene­s Jahr hat außerdem das Verwaltung­sgericht Berlin das Auslesen von Telefonen und Datenträge­rn als rechtswidr­ig beurteilt.

Allein im Jahr 2020 ist dies laut Recherchen von netzpoliti­k.org aber in mehr als 6.000 Fällen erfolgt, in nur 1,8 Prozent der Fälle sollen die Analysen Widersprüc­he zu den Angaben der Antragstel­lenden aufgezeigt haben.

Keine Klagen

Georg Bürstmayr, Menschenre­chtsanwalt und Grüner Nationalra­t, berichtet dem KURIER, dass es in Österreich offenbar bisher noch keine Klagen gegen die Auswertung von Handys nach richterlic­hem Beschluss gibt.

„Dies kann jedoch auch damit zusammenhä­ngen, dass es für die Betroffene­n schon aus rein faktischen Gründen nicht leicht ist, sich gegen entspreche­nde Maßnahmen zu wehren“, erklärt Bürstmayr. „Zum Zeitpunkt der Asylantrag­stellung ist nämlich in der Regel kein Rechtsbeis­tand zur Stelle, der die Betroffene­n darüber informiert, dass sie sich mittels Maßnahmenb­eschwerde gegen die Abnahme und Auswertung ihrer Mobiltelef­one wehren können. Eine Maßnahmenb­eschwerde ist zudem immer mit einem Kostenrisi­ko verbunden.“

Der Verfassung­sgerichtsh­of habe aber 2004 entschiede­n, dass die Beschlagna­hme von Dokumenten in Asylverfah­ren generell nur unter strengen Auflagen und unter Prüfung aller Umstände des Einzelfall­s zulässig sei. Die Gesetzesän­derung unter dem damaligen Innenminis­ter Kickl sei aber sehr weit gefasst, betont Bürstmayr.

„Betroffene haben es schon aus rein faktischen Gründen nicht leicht, sich gegen entspreche­nde Maßnahmen zu wehren“

„Die Bestimmung wird als Ultima Ratio gesehen, also letzte Möglichkei­t, die Identität oder Reiseroute festzustel­len“

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Handys von Flüchtling­en können viel Aufschluss über die Flucht- und Schlepperr­outen geben
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