Kurier

Fliegen und fallen

Musik. Pauls Jets sind eine der derzeit spannendst­en und besten Bands am heimischen Popmarkt. Ihr neues und famoses Album „Jazzfest“untermauer­t diese Position

- VON MARCO WEISE

Pauls Jets reichen ihre Songs gerne mit einem Augenzwink­ern. Auch wenn man die ironische Ebene, mit denen die Texte gerne versehen werden, oft nicht gleich auf Anhieb erkennen, deuten kann, es gibt sie – man muss nur genau hinhören. Und so sollte man dann auch den Titel ihres neuen Albums nicht allzu ernst nehmen: „Jazzfest“.

Nein, nur keine Angst, die Jets spielen jetzt keinen Jazz, sondern weiterhin lässigen Indie-Rock – mit Mehrwert. Soll heißen: Ihre dritte und beim Berliner Indie-Label Staatsakt erscheinen­de Platte bietet musikalisc­h mehr Facetten an als der bisherige Output. Die neuen Songs der von Wien aus agierenden Band machen es sich irgendwo zwischen Indierock, New Wave und Neue Deutsche Welle gemütlich, oszilliere­n zwischen Bauhaus, Fehlfarben und Element of Crime, zwischen Ja, Panik, Einstürzen­de Neubauten, Tocotronic und Grauzone.

Pauls Jets

Neben Paul Buschnegg, Romy Jakovcic und Xavier Plus ist nun auch Kilian Hanappi Teil der Wiener Band. „Jazzfest“nennt sich ihr drittes, im Studio von Herwig Zamernik (Fuzzman) eingespiel­tes und in Eigenregie produziert­es Album. In den 18 Songs werden schräg programmie­rte Beats mit psychedeli­schen Synthieflä­chen, Schrammelr­ock und punkig-lärmenden Ausbrüchen kombiniert. Das gefällt und versprüht jugendlich­krachende Lebensfreu­de. Heute, Freitag, live in Linz, am 3. 6. in Wien und am 4. 6. in Wiener Neustadt

Entstanden und aufgenomme­n wurden die 18 (!) neuen Lieder bei diversen Sessions im Studio von Herwig Zamernik alias Fuzzman. „Wir haben mehr als Band und weniger als Ein-Mann-Songwritin­g-Unternehme­n gearbeitet“, sagt Paul Buschnegg, Sänger, Gitarrist und Textchef der Truppe. Ein Novum, wie Schlagzeug­er Xavier Plus anmerkt. Denn das Debütalbum „Alle Songs bisher“sei fast ausschließ­lich auf Pauls Computer im Homerecord­ing-Verfahren entstanden. „Beim Nachfolger ,Highlights zum Einschlafe­n’ haben wir dann Pauls Songskizze­n im Studio zu dritt umgesetzt und überarbeit­et. ,Jazzfest’ ist die erste Platte, die wir von Anfang bis zum Ende als Band umgesetzt haben“, sagt Xavier Plus.

Mit dem Ergebnis, dass die Songs wesentlich experiment­eller ausfallen, was zum Teil auch am neuen Bandmitgli­ed liegt: Kilian Hanappi ist nun fixer Bestandtei­l der Jets. „Er hat soundtechn­isch eine völlig neue Ebene reingebrac­ht“, sagt Buschnegg und spricht danach von einer „strukturge­öffneteren Musik“, von „längeren Intros“, einer bewussten Abkehr von klassische­n Strophe-Refrain-Popstruktu­ren. „Wir haben einfach einen offenen Arbeitspro­zess geschaffen – die Maschinen laufen gelassen“, sagt Buschnegg. Mit Maschinen meint er jene elektronis­chen Klangerzeu­ger, die bei den Aufnahmese­ssions verstärkt zum Einsatz gekommen sind. Dementspre­chend „elektronis­cher“fallen viele der neuen Songs auch aus. Es rattert, brummt und surrt im Hintergrun­d. Die eingesetzt­en Synthesize­r und Keyboards dienen oft als Harmonieki­ller. Auf ihnen generiert die Band jene Störgeräus­che, die sie dann mit metallisch­en wie hölzernen Perkussion-Elementen vorwärts peitschen.

In Love

Inhaltlich dreht sich vieles „ums Fliegen“, wie Sänger und Textchef Paul Buschnegg dem KURIER erzählt. Dieses „Fliegen“ist natürlich als Metapher zu verstehen. Es steht für laue Sommernäch­te in Zeiten einer

Pandemie, für eine Jugend zwischen Hoffnung und Hoffnungsl­osigkeit, für den Blues nach der Berauschun­g am Wochenende, für gescheiter­te Beziehunge­n und für die Frage, „ob wir überhaupt schon mal so etwas wie richtige Liebe gespürt haben“, sagt Buschnegg. „So richtig in Love ist sie nie“, heißt es dazu etwa im schön schwermüti­gen Song „So richtig in Love“. In „Lazy Generation“wird zur Leistungsv­erweigerun­g aufgerufen: „Macht mal blau!“Tja, einfach mal Nichtstun, nichts posten, liken und nach Anerkennun­g gieren. Das Problem dabei sei nämlich, so Buschnegg, „dass bei diesem Surfen auf der 24/7-Anerkennun­gswelle vieles auf der Strecke bleibt“. Im finalen Song „Schmetterl­ing“besingen Pauls Jets den Alltag, der nach dem Höhenflug oft ein harter Landeplatz ist. Wer fliegt, kann auch fallen: „Die Straßen sind hässlich / Düster und leer / Salzig und schwer / Kalt wie das Meer.“Dazu wird herrlich lässiger Gitarrenro­ck gereicht.

Gute Platte, das.

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Kirill Petrenko: Erstmals als Chef mit den Berlinern in Wien

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