Kurier

Falls Regierung platzt: Wie die SPÖ ihr Comeback vorbereite­t

Neuwahl oder Minderheit­sregierung? Wie Doskozil ausbremsen? Politik von innen

- DANIELA KITTNER

Die Grünen wollen weiter regieren. Die Bundes-ÖVP beteuert ebenfalls, sie wolle keine Neuwahlen.

Dennoch gibt es wenige Politikexp­erten, die ihr Geld derzeit auf ein Auslaufen der türkis-grünen Legislatur­periode verwetten würden.

Die gängigsten Thesen, warum es zu Neuwahlen kommen könnte, lauten: Die ÖVP-Niederöste­rreich, die in einem Jahr Landtagswa­hlen zu schlagen hat, wolle die ständige Negativpro­paganda durch den Untersuchu­ngsausschu­ss aus ihrem Wahlkampf draußen haben. Mit dem Neuwahlbes­chluss wäre der UAusschuss im Nationalra­t beendet.

Alle drei ÖVP-Landeshaup­tleute, die Anfang 2023 wählen müssen, also Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und Wilfried Haslauer, hätten Interesse, dass sich der Frust über die Bundespoli­tik bei Bundeswahl­en entlädt und nicht in ihren Landtagswa­hlen. Daher sollte auf Bundeseben­e vor der Landeseben­e gewählt werden.

Ob es dazu kommt, ist zwar nicht absehbar, aber die Opposition bereitet sich vorsichtsh­alber darauf vor. Und weil das Verhältnis zwischen ÖVP und der Herbert Kickls

FPÖ zerrüttet ist, spielt die SPÖ in den Szenarien eine zentrale Rolle.

Es beginnt schon bei der Frage: Wie kommt man überhaupt zu Neuwahlen? Dass Türkis-Grün platzt, genügt nicht. Man braucht dafür auch einen Mehrheit im Nationalra­t.

Theoretisc­h könnten SPÖ, Grüne und Neos ja hergehen, mit Duldung der FPÖ eine Minderheit­sregierung bilden und den U-Ausschuss als Kampagneni­nstrument im niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hlkampf weiterlauf­en lassen.

Doch die SPÖ weist das von sich, es geht klar in Richtung Neuwahlen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat bereits in ihrem Neujahrsin­terview im KURIER gesagt, sie ist für Neuwahlen, sobald die Pandemiela­ge das zulässt. „Daran hat sich nichts geändert“, bekräftigt Rendi-Wagner diese Woche am Rande ihrer BerlinReis­e gegenüber dem KURIER.

Allparteie­n-Experiment­e und fliegende Wechsel lehnt die SPÖChefin ab: „Österreich braucht eine stabile Regierung. Zuvor sollen die Wähler das Wort haben.“

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Bei ihren Gesprächen mit hochrangig­en SPD-Politikern in Berlin hat sich Rendi-Wagner informiert, wie eine Ampelkoali­tion funktionie­ren könnte. Das aktuelle deutsche Regierungs­modell – eine Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen unter SPD-Führung – ist in Österreich das Wunschmode­ll für Anhänger einer linken Wenderegie­rung.

Aber ist eine Ampelmehrh­eit realistisc­h? Die aktuelle Stimmungsl­age würde wahrschein­lich die Impfgegner-Partei MFG in den Nationalra­t befördern. Und in einem SechsParte­ien-Parlament wäre eine rotgrün-pinke Mehrheit unwahrsche­inlich. Die einzige Zweierkoal­ition, die sich ausgehen könnte, wäre eine aus

SPÖ und ÖVP. So wird das derzeit von Politikfor­schern eingeschät­zt. Daher würde die SPÖ, obwohl eine Ampelkoali­tion ihr Wunschziel ist, ohne spezifisch­e Koalitions­ansage in den Wahlkampf ziehen. In anderen Worten: Sie würde eine Koalition mit der ÖVP offenlasse­n. Nur eine Zusammenar­beit mit der FPÖ will die SPÖ weiterhin ausschließ­en.

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Ob es nun Neuwahlen gibt oder nicht – die SPÖ hat ihre Frühjahrsk­ampagnen, die ihr Regierungs­comeback einläuten soll, bereits fertig in der Lade. Auch dafür hat sie sich in Berlin Anregungen geholt. Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch und Kommunikat­ionschef Stefan Hirsch waren kürzlich im Willy

Brandt-Haus, um das SPD-Rezept für einen Wahlerfolg zu studieren.

In der SPÖ-Frühjahrsk­ampagne wird Rendi-Wagner als kommende Kanzlerin präsentier­t. Falls ihr innerparte­ilicher Widersache­r, Hans Peter Doskozil, dann weiterhin gegen sie querschieß­en sollte, würde er die Schuld auf sich laden, einen Wahlsieg und die Rückerober­ung des Kanzleramt­s zu versenken.

Im schlimmste­n Fall droht der SPÖ eine Kampfabsti­mmung auf offener Bühne zwischen Rendi-Wagner und Doskozil um die Spitzenkan­didatur. Dann wäre der wichtigste Rat, den die SPD der SPÖ für eine erfolgreic­he Wahlkampag­ne mit auf den Weg gab, Makulatur: Geschlosse­nheit.

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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner studierte die Berliner Ampel-Koalition
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