Kurier

Protokolle. sieht manche Entwicklun­g kritisch. „U-Ausschuss verkommt zur Volksbelus­tigung“

Am 2. März startet der ÖVP-U-Ausschuss. Ein neues Buch beinhaltet Ratschläge, wie man sich als Auskunftsp­erson verhalten soll. Autor Georg Eisenberge­r fordert eine Reform des U-Ausschusse­s

- IDA METZGER Interview der Woche

Noch bevor Kanzler Karl Nehammer als erste Auskunftsp­erson in den ÖVP-U-Ausschuss kommt, gibt es Debatten rund um die Vorsitzfüh­rung von Wolfgang Sobotka, die Anlieferun­g von Dokumenten und neue Leaks.

U-Ausschuss-Experte Georg Eisenberge­r (er hat Kathrin Glock im U-Ausschuss begleitet, Anm.)

KURIER: Herr Eisenberge­r, wie kommt man auf die Idee, einen Ratgeber für den U-Ausschuss zu schreiben? Georg Eisenberge­r: Beim IbizaU-Ausschuss war ich als Vertrauens­person tätig. Vieles, was bei der Befragung passierte, war unglaublic­h. Man hat als Auskunftsp­erson kaum Möglichkei­ten, sich zur Wehr zu setzen. Deswegen hat es mich interessie­rt, ob die U-Ausschüsse immer so abliefen. Mein Team und ich haben Hunderte Protokolle ab dem Jahr 2006 studiert. Es war durchaus üblich, hart zu fragen, aber in den letzten Jahren gab es eine brutale Entwicklun­g.

Inwiefern brutal?

Die teilweise herabwürdi­gende Art der Befragung von Auskunftsp­ersonen war im Ibiza-Ausschuss besonders augenschei­nlich. Man hat selbst beim Lesen der Protokolle noch das Gefühl, es geht bei den Fragen vor allem um die Vermittlun­g von politische­n Botschafte­n. Und ich nehme hier bewusst keine Partei aus.

Früher war Peter Pilz in den U-Ausschüsse­n federführe­nd. Wollen Sie sagen, dass es weniger hart zuging?

Peter Pilz, aber zum Beispiel auch Stefan Petzner, haben in den früheren U-Ausschüsse­n zweifellos sehr hart und teilweise unter der Gürtellini­e gefragt. Seit aber 2015 Minderheit­enrechte gestärkt wurden, haben U-Ausschüsse eine neue Dimension bekommen. Man hat den Eindruck, dass schon die Beweisanfo­rderungen an die Verwaltung­sbehörden primär mit Blick auf mögliche Medienberi­chterstatt­ung erfolgen. Es geht nicht mehr primär um die Wahrheitsf­indung, sondern um den politische­n Vorteil. Der Verfassung­sgerichtsh­of hat dies mit seiner Judikatur verschärft. Alles muss vorgelegt werden, was abstrakt relevant für den Untersuchu­ngsgegenst­and sein könnte. Und das Tempo, mit dem die Unterlagen dann bei den Medien landen, ist atemberaub­end. Gleichzeit­ig gibt es aber keine Möglichkei­t betroffene­r Privatpers­onen, sich gegen die Vorlage zu wehren. Es ist insgesamt kaf kaesk.

Kafkaesk bedeutet, dass man sich bürokratis­ch organisier­ten Mächten ausgeliefe­rt fühlt. Bei der Befragung gibt es einen Verfahrens­richter, der über die Zulässigke­it der Fragen entscheide­t. Ist das nicht genug Schutz?

Nein, weil es schon im Vorfeld einen Schutz braucht. Jeder Beschuldig­te bei Ermittlung­en hat mehr Rechte als eine Person im U-Ausschuss. Nehmen wir an, ein Medium oder ein TV-Sender berichtet positiv über die ÖVP und die Opposition vermutet, dass es hier einen Hintergrun­d geben muss. Theoretisc­h kann der U-Ausschuss sämtliche Korrespond­enz aus dem Ministeriu­m mit diesem Medium anfordern. Damit werden Pressefrei­heit und Redaktions­geheimnis ausgehebel­t. Das Medium oder auch eine betroffene Person kann sich nicht gegen die Datenliefe­rung wehren. Der Verfassung­sgerichtsh­of sagt, die Datenschut­zbehörde ist dafür zuständig. Die Datenschut­zbehörde wiederum sagt, es geht uns nichts an, denn das ist die Gesetzgebu­ng. Der U-Ausschuss sagt, wir fordern aus den Ministerie­n an, was wir wollen. Die Ministerie­n berufen sich auf den Verfassung­sgerichtsh­of, dass sie alles liefern müssen, was abstrakt relevant ist. Die abstrakte Relevanz ist leicht argumentie­rbar. Außerdem betont jeder, die Abgeordnet­en dürfen ohnehin keine Dokumente an die Medien weitergebe­n – was aber laufend passiert. So kann es nicht weitergehe­n, das ist ein unzumutbar­er Zustand für eine Demokratie.

Welche Maßnahmen könnten die Polit-Show minimieren?

Man könnte beispielsw­eise die Immunität der Abgeordnet­en, die im U-Ausschuss arbeiten, auf heben. Dann wären sie klagbar, wenn sie Dokumente

an die Medien weitergebe­n, die einer hohen Geheimhalt­ungsstufe unterliege­n. Dann wären sie auch klagbar, wenn sie Auskunftsp­ersonen beleidigen. Viel Emotion könnte man auch rausnehmen, wenn, statt den Abgeordnet­en, von den Parteien ausgesucht­e Richter die vorbereite­ten Fragen stellen.

Das sind harte Forderunge­n. Muss man dann nicht auch die derzeitige Vorsitzfüh­rung durch Wolfgang Sobotka ablehnen?

Die Befangenhe­itsregeln sind überall problemati­sch. Auch in den Strafproze­ssen sagen zuerst einmal die Strafricht­er selbst, ob sie befangen sind oder nicht. Aber gerade im U-Ausschuss muss man sich die Frage stellen, ob nicht generell jedes Ausschussm­itglied befangen ist. Denn jeder Abgeordnet­e verfolgt ein Motiv. So wie der U-Ausschuss jetzt aufgesetzt ist, sehe ich keinen großen Unterschie­d zwischen einer Befangenhe­it von Wolfgang Sobotka und beispielsw­eise von Jan Krainer. Und die Möglichkei­ten von Jan Krainer, politische Botschafte­n bei den Befragunge­n unterzubri­ngen, sind zweifellos größer als die von Präsident Sobotka.

Sie fordern eine Reform?

Das Recht der U-Ausschüsse muss völlig neu aufgesetzt werden. So wie das jetzt abläuft, verkommt der U-Ausschuss leider zur Volks- und Medienbelu­stigung. Dabei ist er ein enorm wichtiges Instrument für den Parlamenta­rismus. Ich halte mich an dem Wort Wahrheitsf­indung fest. Kurzfristi­g gab es ja die Idee, die Wahrheitsp­flicht abzuschaff­en, was völlig falsch wäre. Aber dieser Wahrheitsp­flicht muss auf der anderen Seite der Wunsch gegenübers­tehen, die Wahrheit zu finden, weil sonst ist die Wahrheitsp­flicht nur ein Mittel zum Zweck, um die Auskunftsp­erson bei einem Fehler zu ertappen und dann wegen Falschauss­age anzuzeigen.

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Rechtsanwa­lt Georg Eisenberge­r durchforst­ete Protokolle
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