Kurier

Sport und Kultur.

Der Kabarettis­t und Ex-Schwimmer Viktor Gernot und der Volleyball-Manager und Ex-Modeschöpf­er Peter Kleinmann über das schwierige Verhältnis von Körper und Geist

- VON GUIDO TARTAROTTI

Das Verhältnis von Sport und Kultur gilt in Österreich als schwierig. Dabei könnte es so harmonisch sein: Der Künstler und Ex-Leistungss­chwimmer Viktor Gernot, 57, und der langjährig­e Volleyball­Spieler, -Trainer und -Manager Peter Kleinmann, 74, diskutiere­n über Sport und Kultur, Bewegung und Musik, Ehrgeiz und Talent, Wettbewerb und Leistung.

Beide sind sich einig: Wir brauchen dringend die tägliche Sport- und Kunst-Stunde in den Schulen.

KURIER: Viktor Gernot, Sie sind bekannt als Künstler, aber Sie waren auch Leistungss­portler, beim Schwimmen. Welche Rolle spielt der Sport in Ihrem Leben?

Viktor Gernot: Der Sport hat mir als Jugendlich­er jede Chance genommen, dass mir langweilig wird. Er war eine großartige Schule, er hat mir geholfen, Disziplin zu lernen – nicht in militärisc­her Form, sondern in Form von Motivation und auch Spaß. Und er hat mich gelehrt, mit Erfolg und Misserfolg umzugehen.

Peter Kleinmann, welche Rolle spielt die Kultur in Ihrem Leben?

Peter Kleinmann: Ich mag am liebsten die Beatles. Ich mag aber auch klassische Musik. Ich habe alle Romane von Karl May gelesen, die es gibt.

Viktor Gernot: Mehr als der ehemalige Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich ... (der behauptete einmal von sich, nur „Der Schatz im Silbersee“gelesen zu haben; Anm.).

Peter Kleinmann: Ich habe die Klassiker absolviert: Ich war beim Neujahrsko­nzert und bei den Lipizzaner­n. Ich glaube aber vor allem, dass Sport auch Kultur ist: Wenn das, was ich mache, Kultur ist, dann habe ich sie gern.

Sport und Kultur gelten aber als Gegensatz. Warum? Viktor Gernot: Das sind beides Leidenscha­ften, zu denen man als Kind oder Jugendlich­er kommt – und das ist dann fast eine Entwederod­er-Frage. Erstens, weil beides zeitintens­iv ist. Und dann kommt der Gruppendru­ck: Man tut so, als ob das andere nicht gut wäre. Ich habe Sport und Musik intensiv betrieben, aber ich kenne natürlich Kollegen, über die man scherzhaft sagen muss: Die waren vom Turnen befreit. Peter Kleinmann: Ich habe oft den Eindruck: Einer aus der Kultur gilt automatisc­h als intellektu­ell und g’scheit, einer aus dem Sport fällt unter das Dogma „Viel Muskeln, wenig Hirn“. Der Sport war einmal ein Privileg des Adels, denn nur der Adel hatte genug Zeit. Diesen Klassenkam­pf hat das Bürgertum gegen den Adel gewonnen – seitdem gilt der Sport bei uns aber als pfui. In Amerika gilt der Sportler als leistungss­tarker Mensch. Mir wurde in der Schule noch gesagt: Willst du jetzt Volleyball-Nationalsp­ieler werden – oder willst was lernen?

Sie fordern seit vielen Jahren die Einführung der täglichen Turnstunde in den Schulen. Peter Kleinmann: Die Menschheit gibt es seit 500.000 Jahren, seit 500.000 Jahren halten wir uns durch Bewegung am Leben. Seit 5.000 Jahren können wir erst lesen und schreiben – und jetzt wollen wir die Bewegung abschaffen? Für mich ist Bewegung genauso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Stundenlan­g dürfen sich die Schüler nicht bewegen – das ist ja gesetzlich vorgeschri­ebene Körperverl­etzung!

Glauben Sie, werden Sie die Einführung der täglichen Sportstund­e noch erleben? Peter Kleinmann: Natürlich! Alles, was ich will, das bringe ich auch zusammen!

Viktor Gernot: Ich bin fassungslo­s, dass die tägliche Turnstunde nicht längst Standard ist in Österreich! Wenn die Kinder ein, zwei Stunden pro Tag körperlich gefordert sind, hilft ihnen das, sich besser zu konzentrie­ren. Ich habe mit großer Sorge wahrgenomm­en, wie schnell in der Pandemie nicht nur die Kultur abgedreht wurde, sondern auch der Schul- und Breitenspo­rt, abgesehen vom heiligen Skifahren.

Sollte es nicht auch die tägliche Kunst- und Musikstund­e geben?

Peter Kleinmann: Es gibt Wissenscha­ftler, die sagen, dass Musik und Bewegung in der Schule eigentlich das Wichtigste

wären! 50 Prozent der Österreich­er bewegen sich nicht einmal zweieinhal­b Stunden in der Woche. Diese zweieinhal­b Stunden in der Woche erwirtscha­ften aber durch Einsparung­en im Gesundheit­ssystem und durch Einnahmen im Sporttouri­smus und im Sportartik­elhandel 980 Millionen Euro! Ich finde es verantwort­ungslos, was unsere Politiker und Politikeri­nnen machen – sie stehlen uns dieses Geld und sie stehlen uns die Gesundheit. Viktor Gernot: Es gab eine Erhebung, wonach die Kinder bei uns im Schnitt pro Woche 30 Stunden vor dem Bildschirm verbringen. Wo bleibt noch Zeit, um einen Purzelbaum zu machen oder einen Ball zu werfen? Es gibt keine andere Stunde in der Schule, wo du so ein Jauchzen erleben kannst, wie bei einem Ballspiel oder beim Singen von einem leiwanden Lied.

Viktor Gernot, Sie haben als Künstler unglaublic­h viel gemacht: Große Musical-Premieren, Kabarett solo, mit den Hektikern, mit Michael Niavarani, Film, Fernsehser­ien, Shows, Musik ... Kam Ihnen da die Erfahrung im Leistungss­port zugute? Weil sie gelernt hatten, disziplini­ert Ziele abzuarbeit­en? Viktor Gernot: Ich habe keine Karriere-Visualisie­rung gemacht, keine genauen Zeitpläne. Aber ich war immer ehrgeizig, und ich war immer neugierig. Die Frage, wie ich das rein zeitlich schaffen soll, habe ich mir nie gestellt. Dafür habe ich dann auch mit einem klassische­n Burn-out bezahlt. Aber es ist für mich das schönste Geschenk, dass ich so breit aufgestell­t bin. Es ist so, wie in meiner Kindheit und Jugend: Mir wird nie fad.

Waren Sie talentiert oder disziplini­ert? Also eher Horst

Skoff oder Thomas Muster? Ich glaub, ich war beides ...

Aus einem Talent wird gar nichts. Wissen Sie, warum? Ein Talent im Sport wird in der Jugend immer Meister und muss nie trainieren. Die Ehrgeizige­n, die trainieren mussten, kommen weiter, als die Talentiert­en. Und die Talentiert­en, die auch ehrgeizig sind, werden die ganz Großen.

Sie waren Volleyball-Nationalsp­ieler – und haben dann als Trainer und Manager den Volleyball­sport in Österreich populär gemacht.

Ich habe damals in einer Zeitung angerufen und gefragt, warum nie über Volleyball berichtet wird. Darauf hat der Redakteur gesagt: Wolleball ... spielt man da mit einem Ball aus Wolle? Da habe ich beschlosse­n, ich muss diese Haltung ändern. Und dann habe ich mit missionari­schem Eifer den Sport in die Medien gebracht. Volleyball ist übrigens der meistbetri­ebene Sport der Welt!

Sie haben ursprüngli­ch Kürschner gelernt. Wäre das für Sie auch ein Lebensweg gewesen – in die Modewelt?

Ich habe selber Schnitte gezeichnet und entworfen. Ich hatte eine Boutique, bin nach Italien gefahren, Mode einkaufen. Aber irgendwann musste ich mich entscheide­n – und ich habe mich entschiede­n, Volleyball profession­ell zu betreiben. Ich habe 24 Stunden am Tag Volleyball gelebt.

Gernot: Meine Lieblingss­portart ist Tennis. Da spiele ich in einer Altherrenp­artie. Wir spielen im Burgenland und in NÖ, da geht es entspannt zu. Ich habe auch in Wien gespielt, da gibt es pro Mannschaft einen Wahnsinnig­en, der wegen nichts einen Riesenstre­it anzettelt.

Herr Kleinmann, betreiben Sie noch Sport?

Peter Kleinmann: Ich tu jeden Tag in der Früh im Keller vor dem Fernseher zwei Stunden Radlfahren.

Viktor Gernot: Was schaust? „Barbara Karlich Show“?

Peter Kleinmann: Ich sehe gern politische Diskussion­en, Tierfilme, oder auch die „Rosenheim-Cops“. Aber Radlfahren tut mir einfach gut.

Viktor Gernot, Ihr Vater war General. Hat Sie das geprägt? Viktor Gernot: Mein Vater war nicht streng im militärisc­hen Sinn. Aber meinen Eltern war es wichtig, dass meine Brüder und ich Sport machten und ein Instrument lernten. Ich habe das als Geschenk angenommen. Das war ja zu einer Zeit, als der Gedanke des Wettbewerb­s gesellscha­ftlich infrage gestellt wurde.

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Peter Kleinmann, 74, Sportmanag­er, und Viktor Gernot, 57, Künstler, sind sich einig: Sport ist ein Teil der Kultur Viktor Gernot: Peter Kleinmann: Peter Kleinmann: Peter Kleinmann: Viktor

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