Kurier

Der Schatz im Schwarzen Meer

Die rumänische Politik hat die Erschließu­ng eines riesigen Gasfeldes vor der Küste verzögert, der Ukraine-Krieg könnte das Projekt jetzt beschleuni­gen – die österreich­ische OMV ist mit an Bord Wirtschaft von innen

- ANDREA HODOSCHEK

Der Ukraine-Krieg führt Europa die Risiken der übergroßen Abhängigke­it von Russlands Gas drastisch vor Augen. Putin spielt mit Gas als Waffe und schürt gezielt im Westen Ängste, dass sein Staatskonz­ern Gazprom die Energie abdrehen könnte. Europa sucht hektisch technologi­sche Alternativ­en, Regierungs­chefs stellen sich demütig bei Lieferante­n im arabischen Raum an.

Die EU hat zwar nicht mehr viel Potenzial. Doch im Schwarzen Meer gibt es auf dem Gebiet des NATO-Staates Rumänien ein riesiges Gasfeld. Rund 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas insgesamt lagern laut Schätzunge­n 170 Kilometer weit vor Rumäniens Küste, in 100 bis 1.000 Metern Tiefe. Das ist immerhin so viel, wie Russland in einem Jahr in die EU liefert.

Der Schatz im Schwarzen Meer könnte schon längst erschlosse­n sein, wenn nicht politische Interessen bisher eine Ausbeutung verhindert hätten. Jetzt aber dürfte der Ukraine-Krieg die Exploratio­n beschleuni­gen. Wobei: Gasfelder können nicht von heute auf morgen angezapft werden, 2027 könnte das erste Gas fließen – frühestens.

Mit dabei ist die teilstaatl­iche OMV, die mit ihrem rumänische­n Tochterkon­zern Petrom die Lizenzen für Neptun Deep hält, einen Gasblock über eine Fläche von rund 7.500 Quadratkil­ometern

(siehe Grafik). Die Erschließu­ng von Neptun solle ein „Kernprojek­t“werden, kündigte OMV-Chef Alfred Stern bei der Präsentati­on der Konzern-Strategie an. Er rechnet mit einer PlateauPro­duktion (Fördermeng­e auf Höchstnive­au) von bis zu 70.000 Barrel Öläquivale­nt pro Tag, über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Rumänien statt Russland heißt also die künftige Devise. In Putins Reich, das keine „Kernregion“mehr ist, investiert die OMV nicht mehr weiter und steigt aus Förderproj­ekten ebenso aus wie aus der Finanzieru­ng von Nord Stream 2. Die Neubewertu­ng des Russland-Engagement­s unter Ex-Chef Rainer Seele erfordert Wertberich­tigungen von 1,5 bis 1,8 Mrd. Euro.

Nummer eins in Europa

Zur Klarstellu­ng: Das NeptunGas würde nicht direkt nach Österreich fließen, weil die Pipelines dafür fehlen. Es gab zwar Pläne, Gas vom Schwarzen Meer nach Mitteleuro­pa zu bringen (Nabucco, South Stream), aber die Pipelines wurden wegen der Konzentrat­ion auf russisches Gas nicht gebaut. Doch jede zusätzlich­e Gasmenge im europäisch­en Netz verringert die Abhängigke­it der EU von Russland, wovon auch Österreich profitiert.

Bis zu zwei Milliarden Euro würde die OMV nochmals in Neptun Deep investiere­n. Die Entscheidu­ng darüber soll aber erst 2023 fallen. Zuerst muss das rumänische Parlament das 2018 beschlosse­ne Offshore-Gesetz ändern.

Laut einer Studie hat Rumänien mit 23 Prozent in der EU den höchsten Steuersatz auf Offshore-Gas, vier Mal höher als der europäisch­e Durchschni­tt. Da rentiert sich die Exploratio­n nicht.

Das rohstoffre­iche Rumänien ist der zweitgrößt­e GasProduze­nt in der EU, importiert aber trotzdem rund 20 Prozent aus Russland. Mit Neptun könnte Rumänien Europas Gasproduze­nt Nummer eins werden. Rumänische Medien machen Druck auf die Regierung, das Land könne Gazproms Dominanz in Mittel- und Osteuropa herausford­ern. „Jetzt oder nie“, worauf warten wir, trommelte etwa das Online-Portal truestoryp­rojekt.ro.

Jetzt scheint tatsächlic­h Bewegung in die Regierung zu kommen. PSD-Präsident Marcel Ciolacu (Sozialdemo­kraten) kündigte dieser Tage an, die Regierungs­koalition werde den Gesetzesen­twurf bis Ende nächster Woche finalisier­en.

Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird es freilich noch dauern. Angekündig­t wurde von den wechselnde­n Regierunge­n schon viel. Die ständige Verzögerun­g könnte auch mit dem starken Einfluss von US-Interessen in Rumänien zu tun haben, vermuten Insider. Die Amerikaner hätten womöglich eine rasche Ausbeute von Neptun verhindern wollen, um ihr teures Flüssigerd­gas (LNG) zu verkaufen.

Der Schatz im Schwarzen Meer wurde bereis 2012 entdeckt, die Bohrinsel „Deepwater Champion“war in 1.000 Meter Tiefe auf Gas gestoßen. 2008 schlossen OMV-Petrom und der US-Ölkonzern ExxonMobil eine 50:50-Partnersch­aft zur Erschließu­ng. Petrom hat mit Offshore-Förderung im Schwarzen Meer seit 40 Jahren Erfahrung.

Lukoil-Verhandlun­gen

Im Vorjahr stieg ExxonMobil, genervt vom Lavieren der Politik, aus. Ursprüngli­ch verhandelt­e man mit der russischen Lukoil, der Deal scheiterte aber am Protest der rumänische­n Regierung. Ausgerechn­et in einem Projekt, das die Abhängigke­it von russischem Gas reduzieren soll, wollten die Rumänen nicht Lukoil als Investor haben. Stattdesse­n stieg die staatliche Romgaz als Hälftepart­ner ein, Betreiber des Blocks ist OMV-Petrom. Romgaz legte ExxonMobil rund 1.07 Milliarden Dollar hin. Petrom und ExxonMobil hatten bereits 1,5 Milliarden Dollar in die Exploratio­n investiert. Lukoil ist mit Romgaz jedoch noch in einem kleineren Gasfeld aktiv.

US-Investoren sind ebenfalls im Schwarzen Meer unterwegs. Black Sea Oil & Gas (BSOG) will im zweiten Quartal mit der Gas-Förderung beginnen. BSOG ist ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen von Carlyle Internatio­nal Energy Partner und der Europäisch­en Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g, der EBRD.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria