Kurier

„Hinrichtun­g“durch Polizei bei einer Fahrzeugko­ntrolle

Wieder wurde Afroamerik­aner erschossen

- DIRK HAUTKAPP, WASHINGTON

USA. Warum schießt ein Polizist einem mit dem Gesicht in den Rasen gedrückten Afroamerik­aner, der sich nach einer banalen Fahrzeugko­ntrolle der Festnahme widersetzt­e, aus 50 Zentimeter Entfernung ohne Vorwarnung in den Hinterkopf? Die Frage bewegt seit gestern das wegen exzessiver Polizeigew­alt längst alarmierte Amerika und bringt die Ordnungshü­ter in Grand Rapids im USBundesst­aat Michigan in große Erklärungs­not.

Dort starb der 26-jährige Afroamerik­aner Patrick Lyoya, geflohen aus dem Kongo, wegen der dort herrschend­en Gewalt. Die von Bürgerrech­tsorganisa­tionen wie „Black Lives Matter“als Hinrichtun­g bezeichnet­e Aktion ereignete sich bereits am 4. April. Neun Tage später zeigte der Polizeiche­f der Stadt am Michiganse­e vier verschiede­ne Video-Sequenzen – allerdings keine von der Body-Kamera des bisher nicht genannten Streifenbe­amten. Denn die war im entscheide­nden Moment abgeschalt­et. Angeblich, weil im Handgemeng­e zwischen Cop und Lyoya Druck auf das Gerät ausgeübt worden sei.

Von wem? Das sei nicht klar. Nach bruckstück­haften Schilderun­gen der Polizei hatte der Cop den jungen Schwarzen in einem Wohngebiet angehalten, weil an dessen Auto die Nummernsch­ilder nicht zum Wagen passten.

Aus dem Auto gestiegen

Von Beginn an lief der Einsatz in die falsche Richtung: Lyoya tat, was niemand tun sollte, der in den USA von der Polizei angehalten wird: Er stieg aus. Der Cop forderte ihn auf, sich wieder in sein Fahrzeug zu setzen, Lyoya ignorierte das. Man hört den Schwarzen fragen: „Was habe ich falsch gemacht?“

Die Situation eskaliert: Der Mann rennt weg, der Cop hinterher, den Elektrosch­ocker in der Hand. Nach einer Rangelei bringt der Polizist Lyoya zu Fall. Lyoya dürfte nach dem Elektrosch­ocker greifen, der Polizist schreit: „Lass den Taser fallen!“. Der Cop liegt auf dem Rücken des Mannes, zieht seine Dienstpist­ole – und drückt ab.

Ben Crump, seit Jahren Anwalt in Fällen wie diesen, bezeichnet­e die Polizeigew­alt als „übertriebe­n“: Lyoya sei „verwirrt“gewesen und habe, wie viele Afroamerik­aner, die mit der Polizei in Kontakt kommen, „um sein Leben gefürchtet“. In US-Medien werden Verbindung­en zu George Floyd gezogen. Der Schwarze starb 2020 weil ihm ein weißer Beamter, ebenfalls nach einer Bagatelle, sein Knie fast neun Minuten lang auf den Hals gedrückt hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria