Krieg versus Inflation: Lagarde lässt Leitzins bei Null
Geldpolitik der EZB. Tür für eine Zinsanhebung im Herbst bleibt offen
Falken gegen Tauben lautet das Match im 25-köpfigen Rat der Europäischen Zentralbank. Dort sitzen sechs Direktoren mit EZB-Chefin Christine Lagarde an der Spitze plus die 19 Chefs der nationalen Notenbanken.
Die Tauben kommen meist aus den hoch verschuldeten Euro-Ländern. Sie sind wegen des Wachstumseinbruchs in Folge des UkraineKriegs hoch besorgt und deshalb für die Fortsetzung der Nullzinspolitik. Sie haben sich am Donnerstag erneut durchgesetzt.
Die Falken, zu denen auch Österreichs Nationalbank-Chef Robert Holzmann zählt, würden viel eher die Euro-Rekordinflation von 7,5 Prozent mit einer raschen Zinsanhebung bekämpfen. Sie blieben in der Minderheit.
Zuerst will die EZB die milliardenschweren Anleihenkäufe bis zum dritten Quartal 2022 beenden. Daein nach wird allgemein mit der Zinswende gerechnet. Denn die Währungshüter haben sich festgelegt, erst nach dem Ende der Anleihenkäufe die Zinsen zu erhöhen.
Im Juni werde er zusammen mit seinen Kollegen im EZB-Rat auf der „Basis frischer Daten“über die künftige Geldpolitik entscheiden, sagt der deutsche Bundesbank-Chef Joachim Nagel, Falke. „Was wir jetzt sehen, deutet darauf hin, dass sich möglicherweise auch der Sparer bald wieder über höhere Zinsen freuen kann.“
EZB-Direktor Fabio Panetta aus Italien – eine Taube – warnt, ein zu starkes Einschreiten gegen die gestiegene Inflation würde das schwächer werdende Wachstum im Euroraum vollends abwürgen. Eine solche Straffung der Geldpolitik würde sich nicht direkt auf die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise auswirken, die von weltweiten Einflussgrößen und jetzt vom Ukrainekrieg angetrieben würden.
„Abwarten riskant“
Speziell deutsche Experten kritisieren diese Sicht der Dinge scharf. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagt: „Dieses Abwarten ist riskant. Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und setzt sich die sehr hohe Inflation dauerhaft fest. Die EZB sollte ihren Leitzins zügig in Richtung auf ein zumindest neutrales Niveau anheben, das bei rund zweieinhalb Prozent liegen dürfte.“
Lagarde selbst hat aber vor allem die Konjunktursorgen im Blick: „Die Abwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten haben infolge des Krieges in der Ukraine erheblich zugenommen.“