Geniale Einzelgänger
Kunst. Drei Wiener Galerien zeigen derzeit Werke von Walter Pichler, Stano Filko und Július Koller. Sie alle schufen, teils abseits jedes Publikums, komplexe Gesamtkunstwerke zwischen Modernität und Kult
Introvertiertheit ist manchmal bloß ein Charakterzug, oft aber auch eine Überlebensnotwendigkeit: Etwa, wenn politische Umstände keinen Dialog mit Publikum zulassen. Künstlern ist es dennoch immer wieder gelungen, Werkgebilde zu schaffen, die durch ihre innere Logik auch bestehen, wenn kein Publikum da ist. Kommt das Werk dann doch ans Licht, kann diese Stimmigkeit und Beharrlichkeit inspirierend sein – gerade in Zeiten, in denen „Resilienz“gefragt ist.
Drei Ausstellungen in Wiener Galerien führen solche Werkgebilde derzeit vor – und fügen sich zufällig zu einem Dreiklang, der durchaus auch einer Museumsausstellung würdig wäre.
Gedachtes, Geformtes
Walter Pichler (1936 – 2012) wurde freilich schon oft museal gewürdigt: Das Salzburger Museum der Moderne zeigte seine „Prototypen“2016/’17. Die gleichnamigen Werke der 1960er, die den Körper in den Medienraum erweitern, sind großteils in der angegliederten GeneraliFoundation gesammelt.
Die Schau der Galerie Krinzinger (bis 28. 5., Seilerstätte 16, 1010) kombiniert Fotos und Dokumentationen dieser Werkphase nun mit Zeichnungen und Objekten späterer Entwicklungsstufen: Ab 1973 begann Pichler ja, sich in St. Martin an der Raab ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen, in dem er tempelartige Behausungen für Skulpturen schuf und Gedachtes und Geformtes auf eine Weise zusammenbrachte, die gleichermaßen hochmodern und archaisch wirkt.
Dass Pichler bei alldem wach für aktuelles Geschehen blieb, manifestiert sich etwa in einem „Reliquienschrein“(1971): In einem kreuzförmig ausgebreiteten Hemd, mit dem eigenen Blut beträufelt und mit einer Landkarte Amerikas kombiniert, reagierte Pichler auf die US-Bürgerrechtsbewegung und verarbeitete seine auf einer Mexiko-Reise gesammelten Eindrücke von Ungerechtigkeiten gegenüber der indigenen Bevölkerung.
Wild im Exil
Den Slowaken Stano Filko (1937 – 2015) zog es später, 1981, in die USA. Zuvor schuf er in seiner Heimat Kunst, die unter dem Radar der kommunistischen Zensur durchsegelte. Etwa, indem er mit seinen Mitstreitern weiße Tücher weiß bemalte und ausstellte oder an ein paar Maitagen im Jahr 1965 ganz Bratislava zur Kunst erklärte.
Als Filko schließlich die damalige Tschechoslowakei verließ, war es vorbei mit dem subtilen Minimalismus: Wie der mit dem Nachlass betraute Galerist Emanuel Layr in der Schau „Red Exile“(bis 21. 5., Seilerstätte 2/26, 1010) zeigt, wurde Filko in New York expressiv, bunt und auch recht provokant. Das Echo in der US-Szene, die von Jackson Pollock bis Robert
Rauschenberg schon viele Bild-Material-Schlachten gesehen hatte, hielt sich in Grenzen. Filko arbeitete aber weiter und entwickelte eine Art Geheimlehre, die sich bei aller Esoterik durch eine strenge innere Logik auszeichnet, wie Layr beteuert.
In der Galerie steht nun also eine Leiter, deren Stufen in einem genau codierten Farbschema bemalt sind; entlang der Wand sind verschiedenfarbige Dachrinnen-Elemente montiert, in der ein Ball entlang der Filkoschen Daseinsleiter rollt, von Transzendenz (Silber) bis zur Erde (rot). Leichte Kost sei dieses Werk nicht, sagt Galerist Layr, hochfaszinierend aber doch.
Mit seinem Landsmann Július Koller (1939 – 2007) war Filko lange Zeit befreundet, irgendwann zerkrachten sich die beiden aber wegen künstlerisch-weltanschaulicher Differenzen. Koller ging seinerseits nie ins Exil, konnte unterrichten und malte dabei einige Bilder, die die Machthaber nicht weiter störten.
Subversive Kraft entfaltete er aber in Happenings im kleinen Kreis sowie in seiner Praxis, Alltagsdinge durch kleine Modifikationen radikal umzudeuten. Aus Frisbeescheiben oder Essgeschirr machte Koller Raumfahrzeuge für die gedankliche Flucht aus der Enge, indem er die Objekte mit den Buchstaben „U.F.O.“markierte; mit zwei gegenüber montierten Badezimmerspiegeln gab er einen Geschmack von Unendlichkeit. In der Galerie Martin Janda (Eschenbachgasse 11, 1010) ist bis 21. 5. eine dichte, vielsagende Zusammenstellung zu sehen.
Viele Objekte seien erst kürzlich aus dem Nachlass gehoben und bearbeitet worden, sagt Daniel Grún von der „Július Koller Society“: Er ist nach Jahrzehnten noch immer überrascht über das, was da lange unbeachtet in Bratislava entstand. Für den Laien kann allein schon die Erinnerung daran, was menschliche Imagination auch in schwierigen Zeiten zu leisten imstande ist, ein tröstliches, ja erhebendes Signal sein.