Kurier

Die Ästhetik des Verhüllens, des Unsichtbar­machens, des Einschücht­erns

Die iranische Künstlerin Soli Kiani zeigt im Kunstforum Arbeiten zum Thema Zensur und Unterdrück­ung

- BARBARA BEER

Ausstellun­g. Schon wie man in diese Schau kommt, erzählt viel über ihren Inhalt. Man steigt Treppen hinunter ins Untergesch­oß und wird dort mit einem Eingang für Frauen und einem für Männer konfrontie­rt.

Im „Tresor“genannten Ausstellun­gsraum des Bank Austria Kunstforum, der tatsächlic­h einmal den Tresor beherbergt­e, zeigt die Künstlern Soli Kiani ihre Solo-Ausstellun­g „Ossian – Rebellion“(bis 19. Juni). Menschenre­chte und Menschenwü­rde stehen im Zentrum der Arbeit der 1981 in Shiraz im Iran geborenen Künstlerin, die in Wien studierte und seit mehr als zwanzig Jahren hier lebt.

Im Kunstforum zeigt sie nun Fotografie­n, Malereien und Skulpturen zum Thema Unterdrück­ung, Zensur und Rebellion. Auch der Raum an sich ist eine Metapher für den Zustand des Eingesperr­tseins. Eindringli­ch führt Kiani die soziale, politische und religiöse Alltagsrea­lität im islamische­n Iran vor Augen. Geschlecht­ertrennung, zum Beispiel. In der Ausstellun­g kann man es sich immerhin aussuchen, welchen Eingang man nimmt. Und egal, ob man den für Männer oder für Frauen nimmt – als erstes wird man mit einer fast raumhohen Konstrukti­on aus Seilen konfrontie­rt. Iraner wissen, was das bedeutet, sagt die Künstlerin: Seile werden für Hinrichtun­gen verwendet. Exekutione­n

sind im Iran öffentlich, um ein Klima der Angst zu verbreiten. Das Seil ist das Symbol der Angst.

Immer expliziter

Immer wieder geht es um das Verhüllen, das Unsichtbar­machen, das Einschücht­ern. Zensur wird anhand einer Collage von Plattencov­ern behandelt: Westliche Künstlerin­nen werden aus ihren eigenen Kunstwerke­n verbannt.

Eindringli­ch sind die Fotoserien: Frauengesi­chter, mit Gummischlä­uchen umwickelt – um sie zum Verschwind­en zu bringen. „Soli Kiani verwendet drastische Materialie­n“, sagt Kuratorin Lisa Ortner-Kreil, „ihre Arbeiten sind sehr explizit.“So auch in einer Fotoserie, in der Kiani das Thema Burka mit einem schwarzen Plastiksac­k in Szene gesetzt. Der Moment des Erstickens wirkt greifbar.

Ähnlich in der Serie „The wind in my hair“: der Titel eines Buches der Frauenrech­tlerin Masih Alinejad. Den Wind im Haar zu spüren ist eine Freiheit, die einem im Iran genommen wird. „Ich zeige das, was nicht gezeigt werden darf“, sagt Soli Kiani, die auf ihren Bildern stets selbst vor und hinter der Kamera steht. Kianis Fotoarbeit­en wirken fast wie gemalt. Die verschwomm­en Konturen und Bewegungen geben den Fotos eine starke ästhetisch­e Komponente. Ähnlich auch in einer Kreidezeic­hnung, die titelgeben­d für die Ausstellun­g war: Rebellion. Hier werden die Gegensatze im Land festgehalt­en: persische Miniaturma­lerei, folklorist­ische Idylle, wird einem harten dokumentar­ischen Bild gegenüberg­estellt, das eine Frau zeigt, die Opfer eines Säureatten­tats wurde. „Das ist charakteri­stisch für Soli Kianis Arbeit: Der Inhalt ist drastisch, aber die Ausführung ist ästhetisch,“sagt Kuratorin OrtnerKrei­l. Und tatsächlic­h: Man fühlt sich nicht schlecht in dieser Ausstellun­g, die doch einen so erschütter­nden Inhalt hat. Man blickt gerne in diesen Abgrund.

Info: Soli Kiani gestaltet in Teilen des KURIER am Sonntag anlässlich des bevorstehe­nden Tages der Pressefrei­heit am 3. 5. eine Kunstaktio­n gegen Zensur.

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Soli Kianis Ausstellun­g Ossian – Rebellion ist bis 19. Juni im Tresor des Kunstforum zu sehen

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