Kurier

Hitzewelle bedroht Indiens Weizenernt­e und treibt die Preise weiter nach oben

Nach fünf Rekordjahr­en kündigt sich drastische­r Rückgang bei Weizenprod­uktion an

- KONRAD KRAMAR

In Sorge. Es ist Indiens wärmstes Frühjahr seit 122 Jahren, also seit es regelmäßig­e Temperatur­aufzeichnu­ngen auf dem Subkontine­nt gibt. Und eine Durchschni­ttstempera­tur über 30 Grad im März und über 35 Grad im April hat nicht nur den Energiever­brauch dramatisch gesteigert und für Schulschli­eßungen gesorgt, sondern bedroht auch die Getreideer­nte in Pakistan, aber vor allem in Indien. Das stellt die besonders optimistis­chen Erwartunge­n indischer Ökonomen und der Regierung in Delhi auf den Kopf.

Das Land gehört zu den größten Weizenexpo­rteuren der Welt und hat in den vergangene­n Jahren Rekordernt­en am laufenden Band eingefahre­n.

Der Krieg in der Ukraine und die dort erwarteten Ernteausfä­lle treiben seit Wochen die Preise für Getreide nach oben – um rund 50 Prozent. In Indien reagierten die großen Agrarunter­nehmen, indem sie ihre Exporte umgehend in die Höhe schraubten. Auch auf den internatio­nalen Agrarbörse­n wurden Rekordmeng­en von indischem Weizen gehandelt. Premier Narendra Modi verkündete bei einer Rede in Berlin noch in diesem Frühjahr selbstsich­er: „Große Nationen sorgen sich um Nahrungssi­cherheit. Jetzt werden Indiens Bauern auf den Plan treten und die Welt versorgen.“

Bis zum Beginn der Hitzewelle war Indien erneut auf Kurs zu einer Rekordernt­e, entspreche­nd großzügig trieb man die Exportquot­en nach oben. Jetzt aber kalkuliere­n Experten, dass die Ernte mindestens um 10 Prozent geringer ausfallen wird als im Vorjahr. In Anbetracht der voreilig geleerten Lager wächst in Delhi die Nervosität. Noch gibt es keine offizielle­n Prognosen für die heurige Ernte und die Regierung hüllt sich bei dem Thema seit einigen

Wochen in Schweigen. Inoffiziel­l machen sich Vertreter der Regierung weiter Hoffnungen, die Erntemenge­n trotz der Hitze hochzuhalt­en. Gegenüber Reuters äußerte sich ein für die Behörden tätiger Experte allerdings hörbar pessimisti­sch. Es sei allerdings noch zu früh, um „das tatsächlic­he Ausmaß der Ernteverlu­ste zu kennen.“

Die Getreidebö­rsen reagieren jedenfalls bereits nervös, ebenso die Händler. „Die Situation ist sehr dynamisch“, meint einer von ihnen: „Wir werden also noch eine Weile warten müssen, bis wir ein klares Bild der Lage haben.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria