Sobotka-Besuch bei Mattarella: Keine Zeit mehr für Formalitäten
Übereinstimmung in den wichtigsten Fragen wie Sanktionen, Kriegsende und EU-Erweiterungsperspektiven
Besuch. Anderes Land, gleiche Themen. Die Reise von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu Italiens Staatsspitze wurde begleitet von Schlagzeilen, die man auch in Österreich kennt: Teuerung (Ministerpräsident Draghi hat gestern 200 Euro Benzingutscheine versprochen, die er aus einer Sondersteuer auf Energieunternehmen finanziert), Gasabhängigkeit (da will Italien schon 2024 unabhängig von Russland sein und verhandelt mit Algerien und Aserbaidschan über Lieferungen) und Kriegsdiplomatie. Papst Franziskus hat gestern um einen Audienztermin bei Wladimir Putin gebeten, um auf ein Kriegsende zu drängen.
Dialog ist auch das wichtigste Schlagwort, das Sobotka aus dem Gespräch mit Staatspräsident Sergio Mattarella und Parlamentspräsident Roberto Fico mitgenommen hat. „Wir dürfen nicht weiter in Kriegsrhetorik verfallen und müssen Russland und der Ukraine Optionen aufzeigen, um aus der Gewaltspirale zu kommen“, so Sobotka. Politische Besuche wie diese sind heute nicht mehr geprägt von Formalitäten. „Es geht sofort zur Sache“, erzählt Sobotka, zu groß seien die Probleme.
Insbesondere das Treffen mit dem bereits 80-jährigen Staatsoberhaupt war die Reise in die italienische Hauptstadt wert. „Mattarella ist ein Mann des Dialogs, er wägt genau ab, was das Richtige ist, und genau das ist es jetzt, was wir brauchen“, meint Sobotka. Beim Thema Waffenlieferung, Ölembargo, weitere Sanktionen gegen Russland gebe es „kein Schwarz oder Weiß“. Beispiel Energieembargo: „Sanktionen dürfen jenem, der sie verhängt nicht mehr schaden, als dem, gegen den sie erlassen werden“, fasst der Nationalratspräsident die gemeinsame Position zusammen.
Mattarella hat Italien vor mehreren Regierungskrisen bewahrt, durch seine besonnene Art Neuwahlen verhindert und den mittlerweile sehr populären Mario Draghi zum unumstrittenen Ministerpräsidenten gemacht, gestützt durch eine Mehrparteienkoalition von ganz links bis ganz rechts. Er selbst wurde erst im
Herbst nochmals zum Präsidenten gewählt, obwohl er das Amt längst abgeben wollte.
Im Sog des Ukraine-Kriegs drängen nun Italien und Österreich auf eine raschere Erweiterungsperspektive der EU, vor allem am Westbalkan: „Mit Nordmazedonien und Albanien sollten zügig Beitrittsverhandlungen beginnen, um auch hier Klarheit zu schaffen, dass sie zu Europa gehören, dazu muss man aber gemeinsam Frankreich und Bulgarien überzeugen“, drängt Sobotka. Und die Ukraine und die EU? Auch hier gab es Übereinstimmung: EU-Beitritt ja, aber so wie bei allen anderen Ländern, mit ordnungsgemäßem Verfahren und einer Zeitperspektive von wohl mindestens zehn Jahren.