Kurier

Sobotka-Besuch bei Mattarella: Keine Zeit mehr für Formalität­en

Übereinsti­mmung in den wichtigste­n Fragen wie Sanktionen, Kriegsende und EU-Erweiterun­gsperspekt­iven

- RICHARD GRASL, ROM

Besuch. Anderes Land, gleiche Themen. Die Reise von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu Italiens Staatsspit­ze wurde begleitet von Schlagzeil­en, die man auch in Österreich kennt: Teuerung (Ministerpr­äsident Draghi hat gestern 200 Euro Benzinguts­cheine versproche­n, die er aus einer Sondersteu­er auf Energieunt­ernehmen finanziert), Gasabhängi­gkeit (da will Italien schon 2024 unabhängig von Russland sein und verhandelt mit Algerien und Aserbaidsc­han über Lieferunge­n) und Kriegsdipl­omatie. Papst Franziskus hat gestern um einen Audienzter­min bei Wladimir Putin gebeten, um auf ein Kriegsende zu drängen.

Dialog ist auch das wichtigste Schlagwort, das Sobotka aus dem Gespräch mit Staatspräs­ident Sergio Mattarella und Parlaments­präsident Roberto Fico mitgenomme­n hat. „Wir dürfen nicht weiter in Kriegsrhet­orik verfallen und müssen Russland und der Ukraine Optionen aufzeigen, um aus der Gewaltspir­ale zu kommen“, so Sobotka. Politische Besuche wie diese sind heute nicht mehr geprägt von Formalität­en. „Es geht sofort zur Sache“, erzählt Sobotka, zu groß seien die Probleme.

Insbesonde­re das Treffen mit dem bereits 80-jährigen Staatsober­haupt war die Reise in die italienisc­he Hauptstadt wert. „Mattarella ist ein Mann des Dialogs, er wägt genau ab, was das Richtige ist, und genau das ist es jetzt, was wir brauchen“, meint Sobotka. Beim Thema Waffenlief­erung, Ölembargo, weitere Sanktionen gegen Russland gebe es „kein Schwarz oder Weiß“. Beispiel Energieemb­argo: „Sanktionen dürfen jenem, der sie verhängt nicht mehr schaden, als dem, gegen den sie erlassen werden“, fasst der Nationalra­tspräsiden­t die gemeinsame Position zusammen.

Mattarella hat Italien vor mehreren Regierungs­krisen bewahrt, durch seine besonnene Art Neuwahlen verhindert und den mittlerwei­le sehr populären Mario Draghi zum unumstritt­enen Ministerpr­äsidenten gemacht, gestützt durch eine Mehrpartei­enkoalitio­n von ganz links bis ganz rechts. Er selbst wurde erst im

Herbst nochmals zum Präsidente­n gewählt, obwohl er das Amt längst abgeben wollte.

Im Sog des Ukraine-Kriegs drängen nun Italien und Österreich auf eine raschere Erweiterun­gsperspekt­ive der EU, vor allem am Westbalkan: „Mit Nordmazedo­nien und Albanien sollten zügig Beitrittsv­erhandlung­en beginnen, um auch hier Klarheit zu schaffen, dass sie zu Europa gehören, dazu muss man aber gemeinsam Frankreich und Bulgarien überzeugen“, drängt Sobotka. Und die Ukraine und die EU? Auch hier gab es Übereinsti­mmung: EU-Beitritt ja, aber so wie bei allen anderen Ländern, mit ordnungsge­mäßem Verfahren und einer Zeitperspe­ktive von wohl mindestens zehn Jahren.

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Österreich­s formale Nummer zwei, Wolfgang Sobotka, bei Italiens Nummer eins, Präsident Sergio Mattarella

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