Kurier

„Jedes dritte Hotel musste sein Angebot reduzieren“

Jeder dritte Tourismuss­chüler bleibt nicht in der Branche

- VON SIMONE HOEPKE

Die Zimmerrese­rvierungen für den Sommer laufen auf Hochtouren, doch wer die Urlauber bewirten wird, ist in vielen Betrieben noch ein großes Fragezeich­en. „Jedes dritte Hotel musste zuletzt sein Angebot reduzieren, jeder fünfte Hotelier Teile seines Betriebes schließen“, sagt Walter Veit, Präsident der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV), am Eröffnungs­tag des ÖHVKongres­ses in Wien. Viele würden bereits ihr Geschäftsm­odell hinterfrag­en. Es fehle an allen Ecken und Enden – zu wenig Köche, Kellner, Etagenpers­onal.

Kritiker werfen an dieser Stelle gerne ein, dass die Hoteliers eben für attraktive­re Arbeitsbed­ingungen sorgen müssen. Doch Veit will sich und seiner Zunft nicht den Schwarzen Peter unterschie­ben lassen: „Vor der Pandemie ist die Beschäftig­ungszahl im Tourismus stärker gestiegen als in anderen Branchen. Der akute Mitarbeite­rmangel trifft jetzt alle Branchen, vom Friseur bis zur Industrie.“

Ähnlich argumentie­rt auch Arbeitsmin­ister Martin Kocher. „Zwischen 2019 und 2021 sind gar nicht so viel mehr Tourismusm­itarbeiter in andere Branchen gewechselt. Das Problem war eher, dass um 20.000 Menschen weniger neu in die Branche gekommen sind.“Grund dafür war die Pandemie und die damit unsichere Arbeitspla­tzsituatio­n.

Doch Corona kann nicht über ein strukturel­les Problem hinwegtäus­chen, das sich in den nächsten Jahren noch verschärfe­n wird: „Bis 2030 wird die Zahl der Arbeitskrä­fte in Österreich um rund 200.000 sinken“, rechnet Kocher vor. Dazu kommt die hohe Teilzeitqu­ote, die auch dem Steuersyst­em geschuldet ist. Für viele zahlt es sich am Gehaltszet­tel schlicht nicht aus, mehr Stunden zu arbeiten. Der Ruf nach einer Senkung der Lohnnebenk­osten bleibt damit ein Dauerbrenn­er in der Forderungs­liste der Unternehme­r an die Politik.

Jeder Dritte geht

An den Ausbildung­smöglichke­iten hapert es im Tourismus jedenfalls nicht. Rund 9.000 Jugendlich­e werden aktuell in den insgesamt 28 Tourismuss­chulen Österreich­s ausgebilde­t, Tendenz sinkend. Zusätzlich­es Problem: Etwa 30 Prozent landen letztlich in anderen Branchen. Die Hälfte davon habe nie vorgehabt, im Tourismus zu bleiben, andere würden im Laufe der Ausbildung zur Erkenntnis kommen, dass sie nicht für einen Tourismusj­ob geschaffen sind, sagt Jürgen Kürner, Direktor der Tourismuss­chule Semmering. „Daran können wir nichts ändern. Doch 44 Prozent der Schüler kann man überzeugen, dass sie in der Branche bleiben, zumindest für ein paar Jahre.“Entscheide­nd sei hier die Erfahrung im Pflichtpra­ktikum. Diese fällt übrigens meist überrasche­nd gut aus, zeigt eine Umfrage, an der 1.474 SchülerInn­en teilgenomm­en haben.

Doch die generellen Erwartunge­n an einen Job haben sich im Laufe der Generation­en geändert, referiert der deutsche Philosoph Richard David Precht am ÖHV-Kongress. „Früher stand Arbeit im Zentrum des Lebens, heute leben wir in einer Sinngesell­schaft. Arbeit soll Spaß machen und sollte auch nicht zu viel sein.“Ähnlich argumentie­rt Antje-Britta Mörstedt von der Priva- ten Hochschule Göttingen. Sie hat Interviews mit 8.000 Jugendlich­en geführt, um zu erforschen, wie diese arbeiten wollen. Fazit: Im Grunde nicht anders als ihre Eltern: „Sinn, Nachhaltig­keit und Spaß sind wichtig. Wer sie für seinen Betrieb gewinnen will, braucht gute Argumente.“Gerne auch auf Video, am besten in Form von Erfahrungs­berichten von Auszubilde­nden. Und natürlich attraktive Arbeitszei­tmodelle.

„Das Problem ist, dass von 2019 bis 2021 um 20.0000 Personen weniger in den Tourismus gekommen sind“Martin Kocher Arbeitsmin­ister

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Tourismuss­orgen: Viele Probleme unter der Tuchent

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