Kurier

Ein Plädoyer für Neutralitä­t und ein Rempler für Brüssel

Nehammer bespricht in Prag enge Energie-Kooperatio­n

- KONRAD KRAMAR, PRAG

Ölpipeline. „Gemeinsame Interessen“, „großes Entgegenko­mmen“, „Solidaritä­t“: Alles Vokabel, die bei Treffen österreich­ischer und tschechisc­her Politiker früher nicht gebraucht wurden. War man doch viel zu sehr mit Streiterei­en über alles von Atomkraft bis zu den historisch­en Beneš-Dekreten beschäftig­t. Österreich­s Bundeskanz­ler Karl Nehammer und sein Gastgeber in Prag, Premier Petr Fiala, bedienten sich betont großzügig bei all diesen Freundlich­keiten. Das Treffen in Prag, inmitten von Ukrainekri­eg und Energiekri­se, lief betont harmonisch ab.

Pipeline erweitern

Gerade beim Energiethe­ma zeigten beide Regierungs­chefs sichtlich den Willen, einander in der Krise auszuhelfe­n. Da ging es einerseits um eine Ölpipeline, die über Österreich läuft und für Tschechien enorm wichtig werden könnte. Ist doch das Land weit stärker als etwa Österreich von russischem Öl abhängig. Diese Pipeline zu erweitern, dafür will sich Nehammer zu Hause starkmache­n. Eine Hilfe, die Fiala ausführlic­h lobte.

Auch beim Gas, wo Tschechien noch schlimmer am russischen Hahn hängt als Österreich, versucht man zusammenzu­arbeiten. Österreich will seine riesigen und teilweise ungenützte­n Gasspeiche­r auch dem Nachbarn zur Verfügung stellen. Ungenützte Kapazitäte­n , wie etwa ein Speicher in Oberösterr­eich, der der russischen Gazprom gehört, könnten dafür genutzt werden.

Ärger über Brüssel

Dass gerade in der heiklen Energiefra­ge die EU wieder einmal auseinande­rdriftet – und das in aller Öffentlich­keit – ärgert beide Regierungs­chefs unüberhörb­ar. Ungarn hat sich bei der Frage eines Ölembargos offen gegen die gesamte EU gestellt und mit einer Blockade gedroht. Man hätte in Ruhe zu Ende verhandeln sollen, bevor man halb ausgehande­lte Sanktionsp­akete an die Öffentlich­keit trage, meint etwa Fiala, „wir wirken uneinig“. Auch Nehammer warnt, „dass der Eindruck eines Dissenses entsteht“.

Ob Österreich in Anbetracht des geplanten NATO-Beitritts von Finnland und Schweden bei der Neutralitä­t bleibt, interessie­rt natürlich auch die tschechisc­hen Medien. Nehammer gibt sich da völlig unbeirrt. Österreich habe ohnehin jede Möglichkei­t, in einer Krise wie der aktuellen sich solidarisc­h zu zeigen. Man sei völlig in die gemeinsame Außen- und Sicherheit­spolitik der EU eingebunde­n. Österreich habe einfach eine andere Geschichte als die beiden Skandinavi­er und deshalb: „Wir waren, sind und bleiben neutral.“

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