Kurier

„Die Party ist vorbei, Boris“– Johnson zerreißt die Tories

Großbritan­nien. Nach dem Misstrauen­svotum wird der Druck bald steigen

- AUS LONDON GEORG SZALAI

Hat Boris Johnson die Schlacht gewonnen, verliert aber den Krieg? Diese Frage beschäftig­t London, nachdem der Premier und Chef der konservati­ven Tories ein Misstrauen­svotum seiner Unterhaus-Fraktion schwer angeschlag­en überlebte.

Zwar darf nach den derzeitige­n Regeln der Partei nun ein Jahr lang keine weitere Abstimmung stattfinde­n, aber diese könnten geändert werden, etwa auf sechs Monate. Und mit 211 zu 148 Stimmen genießt Johnson die Unterstütz­ung von nur 59 Prozent seiner Mandatare, weniger als Vorgänger Theresa May und John Major in ähnlichen Showdowns erhielten.

May sah sich einige Monate später dennoch zum Rücktritt gezwungen; Major verlor die nächste Wahl.

Ex-Tory-Chef William Hague forderte da in der

Times Johnsons freiwillig­en, „ehrenhafte­n Abgang“, weil er nicht mehr die nötige Autorität habe.

„Das Ergebnis hinterläss­t Johnson stark geschwächt und die Tories öffentlich gespalten, mit offensicht­licher Gefahr für seine Fähigkeit zu regieren oder die nächsten

Parlaments­wahlen zu gewinnen“, sagte die Denkfabrik Institute for Government. Kritiker könnten sich bei Unterhaus-Abstimmung­en öfter gegen den Chef stellen.

Eine Guardian-Kolumnisti­n nannte den Premier gleich „a lame duck leader“, also eine handlungsu­nfähige lahme Ente. Und ein Ex-Minister meinte laut Spectator ganz britisch, Johnson sei erledigt: „He’s toast“.

Der Populist Johnson selbst sprach von einem „guten Ergebnis“, das seiner Regierung ermögliche, jegliche Zweifel über seine Führungsro­lle hinter sich zu lassen. Die Daily Mail hält weiter zu ihm. Die Tory-Rebellen hätten den „Selbstzers­törungskno­pf“gedrückt und das Tor zu einer „Chaos-Koalition“unter Labour-Chef Keir Starmer geöffnet.

Eine „Demütigung“

Viele Schlagzeil­en waren ernüchtern­d: „Die Party ist vorbei, Boris“, meinte der Mirror in einem Wortspiel zur Partygate-Affäre um Lockdown-Feste im Regierungs­viertel, die den Premier seit Monaten unter Druck setzt. Und der Guardian betonte, „er klammert sich an die Macht“nach einer „Demütigung“im Votum. Die Times nennt Johnson einen „verwundete­n Sieger“, der Telegraph urteilt: „Johnsons hohler Sieg zerreißt die Tories“.

Der Druck auf ihn dürfte bald weiter steigen. Kritiker warten laut Berichten ab, ob sich vielleicht Minister gegen den Boss stellen oder demonstrat­iv zurücktret­en. Auch 60 Prozent der Briten hatten laut einer YouGovUmfr­age Johnsons Absetzung befürworte­t.

Zusätzlich schwächen könnten ihn zwei UnterhausN­achwahlen am 23. Juni, in denen die Tories ihre Sitze verlieren dürften. Der einst strahlende Wahlsieg-Garant gilt zunehmend als Mühlstein um den Hals seiner Partei. Auch die Untersuchu­ng eines Parlaments­ausschusse­s, ob Johnson beim Thema Partygate die Unwahrheit sagte, wirft dunkle Schatten auf den Premier, obwohl das Ergebnis bis November auf sich warten lassen könnte.

„Das Ergebnis hinterläss­t Johnson stark geschwächt und die Tories öffentlich gespalten“Denkfabrik Institute for Government

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Der britische Premier Boris Johnson muss die Folgen von Partygate auch in Zukunft fürchten, seine Partei ist gespalten wie nie

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