Federn lassen für den neuen Höhenflug der Josefstadt
Schließtage, weniger Premieren, keine Sonntagabendvorstellungen
Herbert Föttinger, Direktor des Josefstädter Theaters bis 2026, leckte seine Wunden: Die Saison 2019/’20 wäre die beste jemals geworden, im März lag man bei einer Auslastung von 95 Prozent in den Kammerspielen – und dann kam der Lockdown.
Auch die laufende Saison war alles andere als einfach: Es gab wegen der Pandemie 190 Programmänderungen, 55 Vorstellungen mussten abgesagt werden, bei der Leseprobe von „Leopoldstadt“hätten sich 13 von 25 Schauspieler infiziert – und insgesamt seien 260 Mitarbeiter an Corona erkrankt gewesen.
Trotzdem hätte man sich einem Phönix gleich erhoben. Die Auslastung, die im Spätherbst bei nur 35 Prozent gelegen war, sei im Mai auf knapp 80 Prozent (in der Josefstadt) beziehungsweise 85 Prozent (in den Kammerspielen) geklettert. Dies veranschaulichte Föttinger bei seiner Jahrespressekonferenz am Mittwoch mit „Taferln“wie einst Gesundheitsminister Rudi Anschober.
Diese Saison werde man mit einer Auslastung von 75 % abschließen; die Burg (65 %) und das Volkstheater (47 %) kommen an dieses Ergebnis nicht einmal annähernd heran. Und der Höhenflug werde weitergehen, so das „Fazit“des Direktors.
Das Theater, dem die öffentliche Hand mit zusätzlichen 5,5 Millionen Euro aus der Patsche half, musste aber auch Federn lassen. Künftig entfällt die Sonntagabendvorstellung (man spielt nur mehr um 15 Uhr), es werde Schließtage geben – und die Zahl der Premieren geht empfindlich zurück: auf gerade einmal sieben in der Josefstadt
und gar nur vier in den Kammerspielen (plus ein Marika-Lichter-Solo). Daher müssen angekündigte Projekte nochmals verschoben werden, darunter die Uraufführungen „Leben und Sterben in Wien“von Thomas Arzt, Peter Turrinis „Bis nächsten Freitag“und „Zemlinsky“von Felix Mitterer.
Brandteigkrapferln
Die österreichische Dramatik wird also nur mit einer einzigen Premiere bedacht: Johannes Krisch tritt in die Fußstapfen von Gert Voss – als Philosoph Ludwig in Thomas Bernhards Brandteigkrapferlerregung „Ritter, Dene, Voss“(ab 17. November).
Musterschülerhaft startet die Josefstadt am 1. September mit der Dramatisierung des Leo-Tolstoi-Romans „Anna Karenina“(mit Alma Hasun) in der Regie von Amélie
Niermeyer. Den RusslandSchwerpunkt ergänzen Maxim Gorkijs „Sommergäste (ab 29. März) und „Der Wald“von Alexander Ostrowskij (ab 13. Oktober) mit – „ein Coup!“, so Föttinger – Robert Meyer, der sein Josefstadt-Debüt gibt.
David Bösch beginnt seine Henrik-Ibsen-Trilogie am
22. September mit „Ein Volksfeind“, verkörpert von Günter Franzmeier, der neu im Ensemble ist. Und als „allergrößter Coup“, so Föttinger, wird Dieter Dorn am
27. April die Double-FeatureShow aus „Glückliche Tage“von Samuel Beckett und „Herzliches Beileid“von Georges Feydeau herausbringen. Josef E. Köpplinger inszeniert als Ergänzung zum „Bockerer“Franz Wittenbrinks „Jeder stirbt für sich allein“(nach Hans Fallada). Abgerundet wird die
NS-Thematik mit – „ein kleiner Coup“, so Föttinger – Charlie Chaplins „Der große Diktator“ab 6. Oktober in den Kammerspielen. Ebendort haben Bertolt Brechts „Die Kleinbürgerhochzeit“(26. Jänner) und die bereits angekündigten Stücke „Die Ziege oder Wer ist Sylvia?“und „Gott“Premiere.
Günter Rhomberg ist nur mehr bis Juli Vorsitzender im Stiftungsvorstand: Es folgt Ex-Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ). Die Entscheidung von Staatssekretärin Andrea Mayer (sie war unter Drozda Kunstsektionsleiterin) und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (von der SPÖ nominiert) sei ihm, sagte Föttinger, mitgeteilt worden: An der Entscheidungsfindung sei das Theater nicht beteiligt gewesen, das sei „statutenmäßig nicht ganz korrekt passiert“.
Naturfilmer. Der britische Naturfilmer David Attenborough ist mit einer weiteren Ritterwürde ausgezeichnet worden. Der 96-Jährige bekam von Thronfolger Prinz Charles (73) den sogenannten Großkreuz-Ritterorden des Heiligen Michael und des Heiligen Georg verliehen. 1985 wurde Attenborough erstmals von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen.
Scala. Die austro-russische Sängerin ist bereits bei ihrer Rückkehr auf die Bühne in Mailand bejubelt worden – in der kommenden Saison legt die vom ehemaligen Staatsopernchef Dominique Meyer geleitete Scala nach: Anna Netrebko wird im Juni und Juli 2023 als Lady Macbeth in Verdis „Macbeth“zu erleben sein (und nicht, wie kolportiert, in „Boris Godunow“zum Saisonstart).