Ein verheerender Vertrauensbruch
Der Schaden, den die Verantwortlichen im Wiener KindergartenSkandal angerichtet haben, ist groß: Sie haben das Vertrauen in eine Institution erschüttert
Die städtischen Wiener Kindergärten kommen nicht aus den Schlagzeilen.
Der Vorwurf, der den Stein ins Rollen brachte: Ein Pädagoge soll – vor geraumer Zeit – ein dreijähriges Kind missbraucht haben. Die Eltern der Kleinkinder, die die Einrichtung besuchten, hatte man über den Verdachtsfall jedoch im Dunklen gelassen. Sogar die Justiz musste mehrfach urgieren, um jene Gutachten zu erhalten, die sie für Ermittlungen benötigt; immer noch fehlen Teile. Mittlerweile sind mehrere Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt. Zudem soll ein Pädagoge ein Kind zur Strafe in die Toilette gesperrt haben – schwarze Pädagogik aus längst vergangenen Tagen.
Die Kommunikation über all das erfolgte bruchstückhaft und nur unter medialem Druck. Die zuständige Magistratsabteilung MA 10 verschweigt, verheimlicht und verzögert, so gut sie kann. Kurzum: Vor uns liegt ein handfester Behördenskandal, dessen Ausmaß sich noch gar nicht abschätzen lässt. Der Schaden, den die Verantwortlichen – immerhin der größte Kindergartenbetreiber Wiens – angerichtet haben, ist groß. Zualleroberst bei den Betroffenen, bei den mutmaßlichen Opfern und ihren Familien. Aber da ist noch mehr.
Das liegt an der besonderen Bedeutung, die der Institution für unsere Gesellschaft zukommt. Der erste Tag im Kindergarten bedeutet eine Zäsur in jeder Eltern-Kind-Beziehung. Erstmals treten Kleinkinder in einer wichtigen Entwicklungsphase alleine mit der Außenwelt in Interaktion. Das ist verbunden mit Unsicherheiten, Ängsten und großen Erwartungen. Umso mehr muss der Kindergarten ein sicher Ort sein, in den Eltern ihr Vertrauen setzen können. Dieses ist bei vielen derzeit wie weggewischt.
Auch die Politik feilt an Image und Funktion des Kindergartens: Weg von der Aufbewahrungsstätte, die (zumeist) den Müttern die Rückkehr ins Arbeitsleben ermöglicht – hin zur „ersten Bildungseinrichtung“, die den Grundstein für alle weiteren legt. Dafür bräuchte es das beste Personal, das sich angesichts widriger Arbeitsbedingungen bei zugleich schlechter Entlohnung aber nicht finden lässt. Vor allem Pädagogen, also die so wichtigen männlichen Bezugspersonen, gibt es kaum. Auch, weil sie unter Generalverdacht stehen. Die aktuellen Fälle tragen nicht zur Besserung bei.
Dass Pädagoginnen (und Pädagogen) in der großen Mehrzahl der Kindergärten ausgezeichnete Arbeit leisten, ist zum Glück ein Faktum. Umso verheerender ist der Vertrauensbruch, der dem Wiener Magistrat anzulasten ist. Er kann von keiner Kindergartenmilliarde, für die sich die Politik gerne feiern lässt, aufgewogen werden. Dass die Stadt nun reagiert und die Behördenchefin abberufen hat, ist ein richtiger Schritt. Er darf nicht der einzige bleiben. Was es nun braucht, ist ein unbedingtes Bekenntnis zur Transparenz, eine neue Fehlerkultur – und viel Vertrauensarbeit.