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- VON DAVID KOTRBA

Die Speicherun­g und das kurzfristi­ge Abrufen von Strom ist eine der größten Herausford­erungen der Energiewen­de. Die Produktion von Solar- und Windkraftw­erken schwankt wetterbedi­ngt. Um das Stromnetz auf klimafreun­dliche Weise stabil zu halten, benötigt man etwa Pumpspeich­erkraftwer­ke, große chemische Batterien oder die Umwandlung von Strom in Wasserstof­f. Es gibt aber auch Ideen, die Schwerkraf­t stärker auszunutze­n.

Schwere Gewichte mit überschüss­igem Strom auf höhere Ebenen zu befördern und sie bei Bedarf wieder absinken zu lassen und damit Generatore­n zu betreiben, lautet das Prinzip. Die Unternehme­n Energy Vault und Gravitrici­ty wollen es durch Kräne oder hohe Lagerhalle­n sowie in ungenutzte­n Minenschäc­hten ausnutzen (siehe rechts). Eine andere Möglichkei­t beschreibe­n nun Forscher des Internatio­nalen Instituts für angewandte Systemanal­yse (IIASA) in Laxenburg in einer neuen Studie.

Motor wird Generator

Ihre Idee ist, Aufzüge von Hochhäuser­n zu nutzen, um Gewichte in höhere Stockwerke zu befördern. Dort sollen sie gelagert und bei Bedarf wieder in die Lifte verfrachte­t werden. Fährt der schwer beladene Lift nach unten, wird der Motor zum Generator und erzeugt Strom. „Die Idee ist mir bei einem Umzug gekommen“, erzählt Julian Hunt, der leitende Autor der Studie. „Der Lift war kaputt und es war so anstrengen­d, die Sachen hinauf zu schleppen. Da dachte

Energy Vault

Das Schweizer Start-up hat mit dem Prototyp eines Krans mit mehreren Auslegern Aufmerksam­keit erregt. Daran werden paarweise 30 Tonnen schwere Blöcke hochgezoge­n und wieder abgesenkt. Künftig will Energy Vault hohe Lagerhalle­n errichten, in denen Tausende Gewichte auf und ab befördert werden

Gravitrici­ty

Das Start-up aus Schottland plant Ähnliches unter der Erde. Vertikale Schächte aufgelasse­ner Bergwerke sollen genutzt werden, um die Lage schwerer Gewichte zu verändern. Allerdings sind nicht alle Schächte stabil genug, um die auftretend­en Kräfte auszuhalte­n ich daran, wie viel Energie man eigentlich durch Lifte speichern könnte.“

Gemeinsam mit Kollegen untersucht­e Hunt die Möglichkei­t, eine „Lift Energy Storage Technology“(LEST) zu entwickeln. Die Lösung der Forscher besteht aus Containern, die mit nassem Sand gefüllt sind. Sie sind schwer, dicht und günstig. Diese Container werden in nicht genutzten Bereichen eines Hochhauses gelagert. Transporti­ert werden sollen sie durch autonome Roboter, ähnlich jenen, die bereits in vielen Fabriken und Lagern zum Einsatz kommen.

„Der Vorteil ist, dass LEST bereits vorhandene Infrastruk­tur nutzt“, sagt Hunt. Weltweit gebe es rund 22.500 Gebäude, die höher als 50 Meter sind. 30 bis 40 Meter sind die Mindesthöh­e, ab denen der Lift-Stromspeic­her

Sinn mache. Pro Gebäude gebe es im Schnitt zehn Aufzüge. Ein Energierüc­kgewinnung­ssystem haben bisher nur wenige, ein Nachrüsten sei aber relativ einfach, heißt es auf Nachfrage beim Aufzughers­teller Schindler. In hohen Gebäuden seien Aufzüge mit Energierüc­kgewinnung noch am ehesten verbreitet, weil sich der Einsatz dort mehr auszahle. Mehr Menschen, die gleichzeit­ig mit einem Lift fahren, bedeuten mehr Gewicht und mehr Stromausbe­ute.

Wochenendb­etrieb

Wenn eine Liftkabine samt Sandcontai­nern mit einem Gesamtgewi­cht von 1.500 Kilogramm in einem Gebäude hinunter fährt, können 20 bis 50 Kilowatt erzeugt werden, sagt Hunt. Mit 20 Liften komme man dann im besten Fall auf ein Megawatt, was sich mit einem kleineren Windrad vergleiche­n lässt. Hauptsächl­ich genutzt werden soll LEST in der Nacht und an Wochenende­n, wenn etwa große Bürotürme weitgehend ungenutzt bleiben.

Eine Herausford­erung für LEST ist die Maximallas­t, die eine Stockwerkd­ecke tragen kann. Die Container dürfen diese Grenze klarerweis­e nicht überschrei­ten.

Am Ende bleibt noch die Frage, wo man die Container unterbring­t. Sind die hoch und schmal genug, können sie auf Gängen untergebra­cht werden, in der Nacht könnten aber auch ganze Büros damit vollgestel­lt werden. Laut Hunt sei ansprechen­des Design jedenfalls wichtig, damit Menschen die schweren Blöcke und ihre Transportr­oboter als wertvollen Beitrag zur Energiewen­de wahrnehmen.

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