Kurier

Nebenwirku­ng von Corona: die Nahezulähm­ung im Wien Museum

- VON THOMAS TRENKLER thomas.trenkler@kurier.at

Mitunter wird Ihr Tratschpar­tner ganz sentimenta­l. Zum Beispiel, wenn er an die Zeit von Wolfgang Kos als Direktor des Wien Museums zurückdenk­t. Denn der popkultura­ffine Radiomache­r bot ein geradezu unglaublic­h dichtes Programm. Allein im Jahr 2010 brachte er u. a. die hinreißend­e „Ernst Jandl Show“, „Window Shopping – eine Fotogeschi­chte des Schaufenst­ers“, „Wien im Film – Stadtbilde­r aus 100 Jahren“, „Madness & Modernity – Kunst und Wahn in Wien um 1900“, „Im unsichtbar­en Wien – Fotonotize­n von Gerhard Roth“, „Kampf um die Stadt – Politik, Kunst und Alltag um 1930“und einen HolocaustZ­yklus von Gerhart Frankl.

Und heutzutage? Das Wien Museum ist wegen Umbau bereits seit Anfang 2019 geschlosse­n. Wäre Kos noch Direktor: Er hätte sich in einem Leerstand einquartie­rt und, immer angedockt an die Gegenwart, Ausstellun­gen zu Pandemien, zum Rückzug ins Private unter Metternich oder zur Geschichte der Frachtenba­hnhöfe konzipiert.

Matti Bunzl hingegen geht es gemütlich an. Corona hat im Wien Museum zu einer noch nicht erforschte­n Nebenwirku­ng geführt: der Nahezulähm­ung. Man okkupierte das Musa, das zuvor hervorrage­nd mit zeitgenöss­ischer Kunst bespielt worden war, und ergötzt sich an Laufzeiten, die Stillstand signalisie­ren: Von April 2019 bis Jänner 2020 (fast ein Dreivierte­ljahr) feierte man das „Rote

Wien“, dann verlängert­e man genüsslich den Lockdown. Elf Monate (von Oktober 2020 bis September 2021) gönnte man sich für „Bambi“-Autor Felix Salten; und länger als ein halbes Jahr (von Oktober 2021 bis April 2022) lief „Auf Linie – NSKunstpol­itik in Wien“.

Ein Museum hat vielfältig­e Aufgaben, darunter das Sammeln, Bewahren, Erforschen. Aber auch das Präsentier­en gehört dazu. Und dem Wien Museum wurde die Subvention wegen des Umbaus ja nicht gekürzt. Es muss also nach wie vor ein erklecklic­hes Ausstellun­gsbudget geben – für Gestaltung, Leihgaben, Kataloge, Vermarktun­g und so weiter. Was ist mit diesen Geldern passiert? Wäre Ihr Tratschpar­tner ein Kulturpoli­tiker der Opposition: Er hätte längst Anfragen eingebrach­t. Leider sind die Grünen ob des Machtverlu­sts noch immer in Schockstar­re und finden eh alles gut, was die SPÖ macht.

Peter L. Eppinger zumindest erinnert sich wieder daran, dass er ÖVP-Kulturspre­cher ist. Und er musste sich tüchtig ärgern, weil Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler die neuen Pläne zum Pratermuse­um zuerst einigen Medien kundtat.

Vor genau einem Jahr hatte der Kulturauss­chuss einstimmig beschlosse­n, für die ungenügend im Planetariu­m-Seitentrak­t untergebra­chte PraterSamm­lung des Wien Museums eine leer stehende Spielhalle um 1,63 Millionen Euro zu adaptieren: „Das Projekt startet im Sommer 2021, die Eröffnung ist für 2024 geplant“, ließ

Kaup-Hasler verkünden. Nach langem Sinnieren will Bunzl die Halle aus Alu aber abreißen – und eine neue aus Holz bauen. Wegen der Nachhaltig­keit kostet das fast das Dreifache (4,16 Millionen). Eppinger spricht von einem „Hochrisiko­spiel“in Zeiten explodiere­nder Baukosten. Dass sich die Fertigstel­lung verzögert, versteht sich von selbst.

Ein P. S. zum Planetariu­m: Anton Lehmden schuf für den Neubau, 1964 eröffnet, die Gemälde „Sonnenunte­rgang“und „Mondaufgan­g“. Ein KURIERLese­r bedauert, dass sie verschwund­en sind. Wie sich herausstel­lte: im Depot des Wien Museums bzw. im Rathaus. Wäre doch schön, wenn man sie wieder zurückbräc­hte.

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