Kurier

Der Architekt des chinesisch­en Terrorregi­mes

Der ehemalige Gouverneur von Tibet wechselte 2016 nach Xinjiang. Mit ihm kamen auch die Umerziehun­gslager

- VON JOHANNES ARENDS

Auf seinem Weg an die Spitze ist Chen Quanguo wahrlich über Leichen gegangen: In den letzten elf Jahren wurden seine Ideen für die Verfolgung der Tibetaner und den Genozid an den Uiguren Realität. Chinas Machthaber Xi Jinping dürfte ihn dafür noch in diesem Jahr befördern.

Der 66-Jährige gilt als eiskalter Karrierist und brennender Ideologe. Er ist nicht nur Regent der Provinz Xinjiang, sondern auch Mitglied des 25-köpfigen Parteibüro­s, des höchsten politische­n Gremiums in China.

Mit 21 Jahren trat Chen der Partei bei, um Wirtschaft studieren zu können. Rasch erklomm er die Karrierele­iter. In Parteikrei­sen war Chen bald für die Härte berüchtigt, mit der er gegen Untergeben­e vorging. Diesen Ruf bestätigte er ab 2011 nachhaltig, als er als Gouverneur von Tibet eingesetzt wurde. Chen erhielt die Anweisung, die Region zu „stabilisie­ren“.

Unter seiner Herrschaft verschwand­en tausende Tibetaner spurlos, die zuvor an Protesten teilgenomm­en hatten. Offizielle Dokumente wiesen plötzlich stark erhöhte Zahlen von Todesunfäl­len in Gefängniss­en aus. Chen ließ sogar erste Formen der „Umerziehun­gslager“in Tibet errichten, mit mehreren Hundert Gefangenen.

Ein Mitgrund für Chens steilen Aufstieg ist seine devote Ergebenhei­t gegenüber dem Staatspräs­identen. Am Nationalen Volkskongr­ess 2016 trugen Chen und seine Delegation sogar Fotos von Xi Jinping am Anzug. Kurz danach wurde Chen auf Wunsch des Präsidente­n von Tibet nach Xinjiang versetzt, um auch dieser Region „Stabilität“zu bringen.

Beginn des Völkermord­s

In seinem ersten Jahr als Gouverneur ließ Chen direkt 90.000 Stellen im Sicherheit­sapparat ausschreib­en. Bei der Angelobung tausender Polizisten in Ürümqi kündigte er eine „vernichten­de Offensive“gegen jeden an, der „Symptome“von Extremismu­s oder Regierungs­feindlichk­eit zeige.

Chen ließ mit dieser Begründung klassische uigurische Traditione­n verbieten, wie lange Bärte oder Vollversch­leierung. Er etablierte einen hochmodern­en Überwachun­gsapparat mit Gesichtser­kennungska­meras und Kontrollpu­nkten der Polizei an jeder größeren Kreuzung. Und er ließ die berüchtigt­en Umerziehun­gslager bauen, in denen heute eine Million Uiguren ohne Verfahren inhaftiert sind.

Interne Dokumente, die 2019 von den New York Times veröffentl­icht wurden, belegen, dass etliche Beamte besorgt über Chens brutale Anordnunge­n waren. Er reagierte, indem er verdeckte Ermittler in der ganzen Region operieren ließ, die „Verräter“ausforsche­n sollten. Alleine bis 2019 wurden somit mehr als 12.000 chinesisch­e Beamte wegen der „Unterstütz­ung von Separatist­en“inhaftiert.

In Peking zeigt man sich äußerst zufrieden mit Chens Arbeit. Im Dezember wurde er als Gouverneur abgelöst, bleibt aber Parteivors­itzender von Xinjiang. Damit ist Chen freigespie­lt, wenn am 20. Parteitag der Kommunisti­schen Partei im Herbst die richtig großen Jobs neu verteilt werden. Er gilt als aussichtsr­eicher Kandidat für das Amt des stellvertr­etenden Premiermin­isters.

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