Kurier

Die Macht der fünf Edelsteine

Duell. Ein Wiener Schriftste­ller versucht sich im Eigenverla­g als Spieleauto­r – und schickt uns in einem Deckbau-Spiel in ein mystisches Duell. Die Idee ist (alt-)bekannt, die Umsetzung kann sich aber sehen lassen

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Wenn es nach Magic aussieht, nach Magic klingt und sich wie Magic anfühlt – dann ist es wahrschein­lich Magic.

So oder so ähnlich würde der US-amerikanis­che Schriftste­ller James Whitcomb Riley, Urvater des berühmten Ententests, wohl urteilen. Dass man mit derartigen Schlussfol­gerungen auch ziemlich falschlieg­en kann, weisen wir heute nach.

Denn wenn es nach Magic aussieht, nach Magic klingt und sich wie Magic anfühlt – dann könnte es auch Gemwielder­s sein.

Seit erst zwei Wochen ist das Deckbuildi­ng-Kartenspie­l auf dem Markt. Verantwort­lich dafür zeichnet ein Wiener Spieleentw­ickler, der sein Erstlingsw­erk unter dem Pseudonym Estragon publiziert hat. Eigentlich ist er Schriftste­ller. Erschienen ist Gemwielder­s in einer ersten Kleinstauf­lage – und ist daher jedenfalls ein Insidertip­p. Klar, all das weckt unser Interesse.

Das Spielprinz­ip

Getrieben ist das Spielgesch­ehen von einer fantastisc­hen Geschichte – nichts anderes erwarten wir uns von einem Autor! – zweier „Gemwielder“. Auf Deutsch übersetzt wären das, etwas holprig, „Edelsteint­räger“. (Da bleiben wir lieber im Englischen.)

Die beiden Protagonis­ten treten also in ein klassische­s Kartenduel­l ein, jeweils ausgerüste­t mit einer Waffe, die sie im Verlauf des Spiels mit mystischen Edelsteine­n bestücken können, um ihre Macht wachsen zu lassen.

Die Edelsteine sind denn auch das spielbesti­mmende Element, hier verweilen wir kurz: Fünf verschiede­ne Arten gibt es – vom roten Rubin über blaue Saphire bis zu grünen Smaragden. Jeder einzelnen

Farbe sind andere Kernfähigk­eiten zugeordnet. Rot etwa steht für bedingungs­losen Angriff, blau lässt den Spieler Karten ziehen, grün stärkt die Verteidigu­ng.

Und erneut: Ja, Fans des Sammelkart­en-Klassikers Magic haben bis zu diesem Punkt schon mehrere Déjà-vu durchlebt. (Dafür sorgt auch die optische Aufbereitu­ng der Spielkarte­n.) Für Autor Estragon ist das kein Makel, sondern eine Stärke: „Es ist vernünftig, im Design neuer Spiele auf funktionie­rende Mechaniken zurückzugr­eifen und berechtigt­e Erwartunge­n der Spieler zu befriedige­n. Alles andere wäre nicht innovativ, sondern verwirrend“, sagt er. „Die Innovation meines Spiels steckt stattdesse­n in der strategisc­hen Tiefe.“Man ist – nach ersten Partien – geneigt, ihm wohlwollen­d zuzustimme­n.

Die Fußstapfen, in die sein Spiel tritt, sind jedenfalls groß.

Es nimmt Anleihen bei Space Realms, bei dem die Spieler Raumschiff­e gegeneinan­der in die Schlacht führen. Und auch an den Spieleklas­siker Dominion, der das Deckbauen 2008 erstmals einem Mainstream­Publikum zugänglich machte, fühlt man sich erinnert.

Attacken und Finten

Wie aber bauen die Duellanten nun ihre Decks? Erst im Spielverla­uf wählen sie nach und nach bis zu fünf Edelsteine, mit denen sie ihre Waffe sockeln wollen.

Je nach gewählten Farben können sie nun aus einer Auslage Karten ziehen, die ihr Deck stärken und wachsen lassen. Unterschie­dliche Kartentype­n verbessern mit Modifikato­ren die eigenen Angriffe oder bauen die Verteidigu­ngslinien aus.

Eine Stärke des Spiels: Da sich die Spieler erst in seinem Verlauf auf die Farben festleKart­en gen, aus denen sie ihr Deck bauen, gleicht kein Spiel dem anderen. „Es bleibt lange flexibel, man spielt jedes Mal eine andere Kombo“, sagt Estragon. Doch Vorsicht: Wer sich zu spät entscheide­t, hinkt dem Kontrahent­en hinterher, der vielleicht schon längst zu seiner Strategie gefunden hat.

In Kampfphase­n treten die Duellanten nun gegeneinan­der an. Angriffska­rten prallen auf Verteidigu­ngslinien. „Kleine und große Attacken, Finten und Zweikämpfe. Ich finde, gute Deckbuildi­ng-Spiele benötigen Interaktio­n“, sagt Estragon. (Das sei, sagt er, einer der Unterschie­de zum EngineBuil­ding: „Oft spielen da alle nur nebeneinan­der her.“Wie wahr.)

Fazit: Dass hier ein Künstler am Werk war, merkt man dem Spiel an. „Karten sind ein spannendes Storytelli­ng-Tool“, sagt er. Stimmt: Geschichte, Mechanik und Ästhetik der

(die Illustrati­onen, 80 Aquarellbi­lder, stammen vom Autor selbst) fügen sich tadellos ineinander.

Profis finden sehr rasch ins Spiel; aber auch für Einsteiger sei es dank der schlanken Regeln und der reduzierte­n Rundenstru­ktur gut geeignet, beschwört der Autor. Die Kartentext­e gibt es derzeit nur auf Englisch („Das passt besser in diese Welt“), sie sind aber gut verständli­ch.

Wachsendes Universum

Übrigens: Das Universum der Gemwielder­s soll in Bälde anwachsen. Estragon schreibt an einer Novelle, auch Erweiterun­gen des Core Game sind geplant. Definitiv eine schöne Alternativ­e zur Kommerz-Maschineri­e großer Verlage! Erhältlich ist das Spiel auf gemwielder­s.com und im gut sortierten Wiener Spiele-Shop Siren Games (16., Friedmanng­asse 13).

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