Kurier

Vom Sportjourn­alisten in Syrien zum Bim-Fahrer in Wien

Ende 2015 flüchtete Bilal Albeirouti von Damaskus nach Österreich. Wie ihm der Neuanfang hier gelang

- VON NAZ KÜÇÜKTEKIN

Wenn er Verwandten und Freunden in seiner alten Heimat von seiner Arbeit erzählt, glauben die meisten, dass er Busfahrer ist. „Denn U-Bahnen oder Straßenbah­nen gibt es bei uns nicht“, sagt Bilal Albeirouti.

Dass er nun täglich Tausende Wiener und Wienerinne­n mit der Bim durch die Stadt chauffiert, das sei für ihn gerade deshalb etwas Besonderes.

In Damaskus hatte er noch ein völlig anderes Leben. Eines, das gut war. Eines, in dem er als Sportjourn­alist in der syrischen

Hauptstadt arbeitete, mit seiner Familie ein halbwegs unbeschwer­tes Leben führte. Doch dann wurde ein blutiger Krieg zum Alltag. Albeirouti wurde durch seinen Beruf als Journalist zur Zielscheib­e. „Obwohl ich nicht über Politik oder Ähnliches schrieb. Aber das war egal.“

Die Berufsbeze­ichnung reichte dafür, dass er mehrere Monate ins Gefängnis eingesperr­t wurde und danach, im Jahr 2014, zunächst nach Libanon flüchten musste. In Beirut arbeitete er als Verkäufer. Aber irgendwann wurde es für ihn auch dort zu gefährlich. Also hieß es weiter flüchten. Er nahm die

„klassische“Route, von der Türkei mit dem Boot über einen Schlepper nach Griechenla­nd, von dort nach Nordmazedo­nien, Serbien, Kroatien und Ungarn, um Ende 2015 schließlic­h in Österreich anzukommen.

Zahlreiche Menschen schlugen diesen Weg ein. Am Höhepunkt sprach man in diesem Zusammenha­ng gar nicht mehr von Menschen, sondern nur mehr von der „Flüchtling­swelle“bzw. der „Flüchtling­skrise“.

Jobwechsel

Wenn Albeirouti heute von der Flucht erzählt, lacht er teilweise darüber. „Ich dachte, auf dem Boot werden so zehn Menschen sein. Für so viele war es auch gedacht. 48 Menschen waren wir am Ende“, erinnert er sich. In Wien mussten Albeirouti und seine Familie – seine Frau und Kinder kamen später nach – komplett neu anfangen. Er versuchte es zu Beginn auch in Österreich als Journalist, etwa beim Stadtmagaz­in biber. „Aber das ist sehr schwierig, wenn man nicht perfekte Deutschken­ntnisse hat“, sagt der 40Jährige, der heute mit wienerisch­em Einschlag spricht.

Also musste ein anderer Job her, einer, mit dem er auch seine Familie ernähren kann. Zunächst war der dreifache Vater als Securitymi­tarbeiter tätig.

„Irgendwann dachte ich mir: Wieso nicht Wiener Linien?“, so Albeirouti. Beim ersten Versuch scheiterte er. Beim zweiten Versuch 2020 erfüllte sich schließlic­h sein Traum. „Ich habe für die ganzen Prüfungen in der Ausbildung dann auch wirklich viel gelernt“, sagt der erste Geflüchtet­e aus Syrien, der eine Wiener Straßenbah­n fährt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria