Der Fall Watergate
Richard Nixon. Vor 50 Jahren drangen Einbrecher ins Hauptquartier der Demokratischen Partei. Wie sich herausstellen sollte, mit Wissen des US-Präsidenten. Watergate wurde zum größten Politskandal des 20. Jahrhunderts
Geschichten mit Geschichte
Am Ende ließ er sich doch noch zu einem halben Geständnis hinreißen. Richard Nixon bezeichnet den Fall Watergate in seinen Memoiren als „idiotisch, weil es bei den Demokraten ohnehin nichts zu erfahren gab, was wir nicht vorher schon gewusst hatten“. Außerdem wäre sein Wahlsieg als amtierender Präsident auch ohne den Einbruch in die Zentrale der Demokratischen Partei sicher gewesen.
Fünf Einbrecher
Der Fall beginnt vor 50 Jahren, am 17. Juni 1972, als dem Nachtwächter Frank Wills auf seinem Rundgang durch den Bürotrakt des Watergate Hotels in Washington auffällt, dass an einem Türschloss manipuliert wurde. Er verständigt die Polizei, die fünf Männer auf frischer Tat ertappt und festnimmt. Niemand konnte damals ahnen, dass sich der Einbruch zum größten Politkrimi des 20. Jahrhunderts ausweiten würde, an dessen Ende der Präsident der Vereinigten Staaten zurücktreten musste.
Wie sich herausstellte, hatten die Eindringlinge versucht, im Hauptquartier der Demokraten Abhörwanzen zu installieren und Dokumente zu fotografieren. Die Affäre war insofern brisant, als sich der republikanische Präsident Nixon im Herbst 1972 der Wiederwahl stellte. Sein Gegner war Senator McGovern, für das Amt des demokratischen Vizepräsidenten kandidierte Sargent Shriver, der Schwager des 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy.
Nixon gewinnt die Wahl
Der Einbruch in die demokratische Zentrale erregte vorerst kein allzu großes Aufsehen, da Polizei und Staatsanwalt die Auftraggeber im Kreis untergeordneter Parteisoldaten sahen, nicht jedoch im Weißen Haus. Der Wahlkampf wurde planmäßig fortgesetzt und Nixon mit mehr als 60 Prozent der Stimmen triumphal wiedergewählt.
Der Skandal wäre wohl nie aufgeflogen, hätten nicht zwei junge Reporter der Washington Post das wahre Ausmaß des Falls erkannt. Sie heißen Bob Woodward und Carl Bernstein und veröffentlichten ständig neue Details, die Nixon mit dem Kriminalfall in Verbindung brachten.
Als im März 1973 herauskam, dass der Einbruch im Watergate Building nur die Spitze des Eisbergs weiterer strafbarer Handlungen war – darunter illegale Wahlkampfspenden, der Verkauf von Botschafterposten und eine persönliche Steuerhinterziehung Richard Nixons – wurden Rufe laut, der Präsident müsste zur Aufklärung der Affäre beitragen. Aber Nixon weigerte sich, einem Untersuchungsausschuss im Senat über die ihm zur Last gelegten Delikte Auskunft zu geben.
Da alle im Oval Office geführten Gespräche aufgezeichnet wurden, beantragte Sonderermittler Archibald Cox die Herausgabe der Tonbänder, doch Nixon war auch dazu nicht bereit. Erst ein Urteil des Obersten Gerichtshofs ermöglichte die Beschlagnahme der Bänder. Und obwohl 18 Minuten des Materials gelöscht waren, konnte nachgewiesen werden, dass Nixon über die „Dirty Tricks“gegen die Demokraten zumindest Bescheid wusste.
Nixons Rücktritt
Der Präsident war nun derart angeschlagen, dass das Repräsentantenhaus – inklusive der Stimmen der Republikaner – ein Impeachment-Verfahren einleitete, dessen Ziel die Absetzung des Präsidenten war. Dem kam Nixon am 9. August 1974 zuvor, indem er als erster und bisher einziger Präsident in der Geschichte der USA zurücktrat.
Es war von Anfang an klar, dass sich die Journalisten Woodward und Bernstein auf einen Informanten mit erstklassigen Quellen berufen konnten. Sein Name blieb 33 Jahre lang geheim, er war in der Öffentlichkeit unter dem Decknamen „Deep Throat“(Tiefe Kehle) bekannt. Erst im Mai 2005 erklärte Mark Felt, zum Zeitpunkt der Watergate-Ermittlungen zweiter FBI-Direktor, dass er „Deep Throat“sei und Woodward regelmäßig in einer Tiefgarage traf, um ihn mit Geheimdienstmaterial zu versorgen. Bob Woodward bestätigte diese Aussage.
Am Tag des Nixon-Rücktritts wurde Vizepräsident Gerald Ford als neuer Präsident vereidigt. Er begnadigte Nixon bezüglich „aller Verstöße, die er gegen die Vereinigten Staaten begangen“habe. 50 seiner Mitarbeiter hatten weniger Glück, sie wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Ein neuer Beruf
Während Nixon letztlich zugab, an der Vertuschung der Tat beteiligt gewesen zu sein, nicht jedoch an der Planung des Einbruchs, erklärte Bob Haldeman, sein Personalchef im Weißen Haus, der Präsident selbst hätte den Einbruch angeordnet.
Die Watergate-Affäre hat nicht nur Amerika verändert. Woodward und Bernstein haben einen neuen Berufsstand geschaffen, den der weltweit tätigen investigativen Journalisten, die Korruption und Machtmissbrauch aufdecken.
Viele „Gates“
Das „Gate“von Watergate wurde in der Folge zum Synonym für Skandale im Prominentenmilieu. So ist die 1998 aufgeflogene Beziehung Bill Clintons zu Monica Lewinsky als „Monicagate“bekannt geworden, zum „Tigergate“wurde 2009 ein Sexskandal des Golfprofis Tiger Woods, „Rubygate“nannte man Silvio Berlusconis Affäre mit der minderjährigen Nachtklubtänzerin Ruby Rubacuori, als „Dieselgate“schrieb 2015 der deutsche Abgasskandal Geschichte, „Ibizagate“bewirkte 2019 den Rücktritt von HC Strache und „Partygate“hätte aktuell dem britischen Premierminister Boris Johnson beinahe den Kopf gekostet.
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Richard Nixon starb 1994 im Alter von 81 Jahren, Bernstein (78) und Woodward (79) sind heute noch als hoch angesehene Journalisten in den USA tätig, Woodward schrieb zuletzt zwei kritische Bücher über Donald Trump.