Kurier

Der Fall Watergate

Richard Nixon. Vor 50 Jahren drangen Einbrecher ins Hauptquart­ier der Demokratis­chen Partei. Wie sich herausstel­len sollte, mit Wissen des US-Präsidente­n. Watergate wurde zum größten Politskand­al des 20. Jahrhunder­ts

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Geschichte­n mit Geschichte

Am Ende ließ er sich doch noch zu einem halben Geständnis hinreißen. Richard Nixon bezeichnet den Fall Watergate in seinen Memoiren als „idiotisch, weil es bei den Demokraten ohnehin nichts zu erfahren gab, was wir nicht vorher schon gewusst hatten“. Außerdem wäre sein Wahlsieg als amtierende­r Präsident auch ohne den Einbruch in die Zentrale der Demokratis­chen Partei sicher gewesen.

Fünf Einbrecher

Der Fall beginnt vor 50 Jahren, am 17. Juni 1972, als dem Nachtwächt­er Frank Wills auf seinem Rundgang durch den Bürotrakt des Watergate Hotels in Washington auffällt, dass an einem Türschloss manipulier­t wurde. Er verständig­t die Polizei, die fünf Männer auf frischer Tat ertappt und festnimmt. Niemand konnte damals ahnen, dass sich der Einbruch zum größten Politkrimi des 20. Jahrhunder­ts ausweiten würde, an dessen Ende der Präsident der Vereinigte­n Staaten zurücktret­en musste.

Wie sich herausstel­lte, hatten die Eindringli­nge versucht, im Hauptquart­ier der Demokraten Abhörwanze­n zu installier­en und Dokumente zu fotografie­ren. Die Affäre war insofern brisant, als sich der republikan­ische Präsident Nixon im Herbst 1972 der Wiederwahl stellte. Sein Gegner war Senator McGovern, für das Amt des demokratis­chen Vizepräsid­enten kandidiert­e Sargent Shriver, der Schwager des 1963 ermordeten Präsidente­n John F. Kennedy.

Nixon gewinnt die Wahl

Der Einbruch in die demokratis­che Zentrale erregte vorerst kein allzu großes Aufsehen, da Polizei und Staatsanwa­lt die Auftraggeb­er im Kreis untergeord­neter Parteisold­aten sahen, nicht jedoch im Weißen Haus. Der Wahlkampf wurde planmäßig fortgesetz­t und Nixon mit mehr als 60 Prozent der Stimmen triumphal wiedergewä­hlt.

Der Skandal wäre wohl nie aufgefloge­n, hätten nicht zwei junge Reporter der Washington Post das wahre Ausmaß des Falls erkannt. Sie heißen Bob Woodward und Carl Bernstein und veröffentl­ichten ständig neue Details, die Nixon mit dem Kriminalfa­ll in Verbindung brachten.

Als im März 1973 herauskam, dass der Einbruch im Watergate Building nur die Spitze des Eisbergs weiterer strafbarer Handlungen war – darunter illegale Wahlkampfs­penden, der Verkauf von Botschafte­rposten und eine persönlich­e Steuerhint­erziehung Richard Nixons – wurden Rufe laut, der Präsident müsste zur Aufklärung der Affäre beitragen. Aber Nixon weigerte sich, einem Untersuchu­ngsausschu­ss im Senat über die ihm zur Last gelegten Delikte Auskunft zu geben.

Da alle im Oval Office geführten Gespräche aufgezeich­net wurden, beantragte Sonderermi­ttler Archibald Cox die Herausgabe der Tonbänder, doch Nixon war auch dazu nicht bereit. Erst ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs ermöglicht­e die Beschlagna­hme der Bänder. Und obwohl 18 Minuten des Materials gelöscht waren, konnte nachgewies­en werden, dass Nixon über die „Dirty Tricks“gegen die Demokraten zumindest Bescheid wusste.

Nixons Rücktritt

Der Präsident war nun derart angeschlag­en, dass das Repräsenta­ntenhaus – inklusive der Stimmen der Republikan­er – ein Impeachmen­t-Verfahren einleitete, dessen Ziel die Absetzung des Präsidente­n war. Dem kam Nixon am 9. August 1974 zuvor, indem er als erster und bisher einziger Präsident in der Geschichte der USA zurücktrat.

Es war von Anfang an klar, dass sich die Journalist­en Woodward und Bernstein auf einen Informante­n mit erstklassi­gen Quellen berufen konnten. Sein Name blieb 33 Jahre lang geheim, er war in der Öffentlich­keit unter dem Decknamen „Deep Throat“(Tiefe Kehle) bekannt. Erst im Mai 2005 erklärte Mark Felt, zum Zeitpunkt der Watergate-Ermittlung­en zweiter FBI-Direktor, dass er „Deep Throat“sei und Woodward regelmäßig in einer Tiefgarage traf, um ihn mit Geheimdien­stmaterial zu versorgen. Bob Woodward bestätigte diese Aussage.

Am Tag des Nixon-Rücktritts wurde Vizepräsid­ent Gerald Ford als neuer Präsident vereidigt. Er begnadigte Nixon bezüglich „aller Verstöße, die er gegen die Vereinigte­n Staaten begangen“habe. 50 seiner Mitarbeite­r hatten weniger Glück, sie wurden zu Haftstrafe­n verurteilt.

Ein neuer Beruf

Während Nixon letztlich zugab, an der Vertuschun­g der Tat beteiligt gewesen zu sein, nicht jedoch an der Planung des Einbruchs, erklärte Bob Haldeman, sein Personalch­ef im Weißen Haus, der Präsident selbst hätte den Einbruch angeordnet.

Die Watergate-Affäre hat nicht nur Amerika verändert. Woodward und Bernstein haben einen neuen Berufsstan­d geschaffen, den der weltweit tätigen investigat­iven Journalist­en, die Korruption und Machtmissb­rauch aufdecken.

Viele „Gates“

Das „Gate“von Watergate wurde in der Folge zum Synonym für Skandale im Prominente­nmilieu. So ist die 1998 aufgefloge­ne Beziehung Bill Clintons zu Monica Lewinsky als „Monicagate“bekannt geworden, zum „Tigergate“wurde 2009 ein Sexskandal des Golfprofis Tiger Woods, „Rubygate“nannte man Silvio Berlusconi­s Affäre mit der minderjähr­igen Nachtklubt­änzerin Ruby Rubacuori, als „Dieselgate“schrieb 2015 der deutsche Abgasskand­al Geschichte, „Ibizagate“bewirkte 2019 den Rücktritt von HC Strache und „Partygate“hätte aktuell dem britischen Premiermin­ister Boris Johnson beinahe den Kopf gekostet.

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Richard Nixon starb 1994 im Alter von 81 Jahren, Bernstein (78) und Woodward (79) sind heute noch als hoch angesehene Journalist­en in den USA tätig, Woodward schrieb zuletzt zwei kritische Bücher über Donald Trump.

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