Kurier

PilzVergif­tung

- VON KARL HOHENLOHE office@hohenlohe.at

Der stete Zug ins Greisenalt­er manifestie­rt sich auch dadurch, dass meinen Kindern die Idole meiner Jugend vollkommen fremd sind. Tiny Tim, Toni Sailer, Tim und Struppi sind ihnen so unbekannt wie unsereinem die Gedankenwe­lt der Kardashian­s. Franz Klammer: nie gehört, Bob Dylan: Hm?, Frank Hoffmann: Sorry. – „Sorry“ist zumindest nicht ganz falsch: Der beliebte TV-Moderator, Schauspiel­er und Intendant ist gerade erst verstorben. Seine Physiognom­ie ist uns aus dem Fernsehen in Erinnerung, die Stimme aus der Werbung.

Aber Herr Hoffmann war auch Ensemblemi­tglied des Burgtheate­rs in der Ära Peymann, eine fruchtbare Epoche, die den Adoranten und Erzfeinden der Direktion ideale Entwicklun­gsmöglichk­eiten bot.

Schon gingen die ersten Gerüchte, der deutsche Alt-68er würde die gängigen Burgtheate­rlieblinge auf die Reserveban­k manövriere­n und bundesdeut­sche Schauspiel­er würden – im wahrsten Sinn des Wortes – ihre Rollen einnehmen.

Niemand wusste, würde man am Burgtheate­r bleiben können, müsse man gehen und eine Art erwartungs­volle Schockstar­re machte sich breit. Damals war ich jung, brauchte das Geld und wurde Journalist.

Ich ging also daran, ein Porträt über Frank Hoffmann zu zimmern und alles begann mit einem Interview. Frank Hoffmann stimmte dem Gespräch unter zwei Bedingunge­n zu. A: Er wollte es vor Drucklegun­g gegenlesen. B: Er wollte unter keinen Umständen zu der „Causa Peymann“Stellung nehmen.

Frank Hoffmann war ausnehmend freundlich, erzählte vom Pilzesamme­ln und war bestens gelaunt. Ich auch.

Als wir nach 90 Minuten unserer Wege gingen, meinte er, wir hätten uns so gut verstanden, er hätte absolutes Vertrauen aufgebaut und könne sich auf mich verlassen. Seine ursprüngli­che Forderung, die Geschichte gegenlesen zu wollen, sei nunmehr gegenstand­slos geworden.

Umgehend schuf ich ein spannendes Porträt mit dem grandiosen Titel „Hoffmanns Erzählunge­n“und fuhr in die Ferien. Nach einer Woche kehrte ich zurück, schlug die Zeitung auf, der Chefredakt­eur hatte den Titel geändert:

„Pilze statt Peymann“.

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