PilzVergiftung
Der stete Zug ins Greisenalter manifestiert sich auch dadurch, dass meinen Kindern die Idole meiner Jugend vollkommen fremd sind. Tiny Tim, Toni Sailer, Tim und Struppi sind ihnen so unbekannt wie unsereinem die Gedankenwelt der Kardashians. Franz Klammer: nie gehört, Bob Dylan: Hm?, Frank Hoffmann: Sorry. – „Sorry“ist zumindest nicht ganz falsch: Der beliebte TV-Moderator, Schauspieler und Intendant ist gerade erst verstorben. Seine Physiognomie ist uns aus dem Fernsehen in Erinnerung, die Stimme aus der Werbung.
Aber Herr Hoffmann war auch Ensemblemitglied des Burgtheaters in der Ära Peymann, eine fruchtbare Epoche, die den Adoranten und Erzfeinden der Direktion ideale Entwicklungsmöglichkeiten bot.
Schon gingen die ersten Gerüchte, der deutsche Alt-68er würde die gängigen Burgtheaterlieblinge auf die Reservebank manövrieren und bundesdeutsche Schauspieler würden – im wahrsten Sinn des Wortes – ihre Rollen einnehmen.
Niemand wusste, würde man am Burgtheater bleiben können, müsse man gehen und eine Art erwartungsvolle Schockstarre machte sich breit. Damals war ich jung, brauchte das Geld und wurde Journalist.
Ich ging also daran, ein Porträt über Frank Hoffmann zu zimmern und alles begann mit einem Interview. Frank Hoffmann stimmte dem Gespräch unter zwei Bedingungen zu. A: Er wollte es vor Drucklegung gegenlesen. B: Er wollte unter keinen Umständen zu der „Causa Peymann“Stellung nehmen.
Frank Hoffmann war ausnehmend freundlich, erzählte vom Pilzesammeln und war bestens gelaunt. Ich auch.
Als wir nach 90 Minuten unserer Wege gingen, meinte er, wir hätten uns so gut verstanden, er hätte absolutes Vertrauen aufgebaut und könne sich auf mich verlassen. Seine ursprüngliche Forderung, die Geschichte gegenlesen zu wollen, sei nunmehr gegenstandslos geworden.
Umgehend schuf ich ein spannendes Porträt mit dem grandiosen Titel „Hoffmanns Erzählungen“und fuhr in die Ferien. Nach einer Woche kehrte ich zurück, schlug die Zeitung auf, der Chefredakteur hatte den Titel geändert:
„Pilze statt Peymann“.