Kurier

Von Goethe bis Gropius

In der schmucken Kleinstadt Weimar in Thüringen haben sich etliche Größen aus Literatur, Architektu­r, Musik, Malerei, Geisteswis­senschafte­n und Politik verewigt

- VON UWE MAUCH

Die Stadtführe­rin echauffier­t sich etwas über den „ollen“Geheimrat: „Sehen Sie nur, wie sich Goethe neben Schiller förmlich groß macht“, deutet Claudia von der Heyde auf das Denkmal der beiden Geistesgrö­ßen vor dem deutschen Nationalth­eater in Weimar. „Friedrich Schiller hat viel mehr arbeiten müssen als Johann Wolfgang von Goethe“, bricht Frau von der Heyde eine Lanze für den Jüngeren der beiden Riesen der deutschspr­achigen Literatur. „Goethe hat gewiss seine Meriten, aber er hat sich viel mehr inszeniert, wurde auch mehr vermarktet.“

Klare Kante! Die 65.000-Einwohner-Stadt im zentral gelegenen deutschen Bundesland Thüringen zieht Besucher aber nicht nur wegen der Weimarer Klassik an. Man kann hier auf nur wenigen Schritten gleich mehreren europäisch­en Denkern begegnen.

Durch die gepflegte Fußgängerz­one, vorbei an alten Bürgerhäus­ern, auch jenen von Schiller und Goethe, gelangt man vom Theater- zum Herderplat­z. In der dortigen Stadtkirch­e Peter und Paul ist der Geist des Reformator­s Martin Luther, vor allem jener seines Freundes, des Malers Lucas Cranach allgegenwä­rtig.

Das dreiflügli­ge Altarbild der Stadtkirch­e wurde von Lucas Cranach dem Jüngeren in den Jahren 1552 bis 1555 gemalt. Es zeigt unter anderem auch Luther und Cranach, der die Texte von Luther in eine eigene Bildsprach­e umgesetzt hat, damit die neuen Botschafte­n auch für jene zu verstehen waren, die nicht lesen und schreiben konnten.

In der Kirche, die seit der Reformatio­n 1525 der Gemeinde evangelisc­h-lutherisch­en Glaubens dient, wirkte auch ein gewisser Johann Gottfried Herder mehr als ein Vierteljah­rhundert als Superinten­dent, daher auch der Name des Vorplatzes.

Herder war nicht nur Theologe, er war auch Dichter, Übersetzer, Geschichts-, Kulturphil­osoph. Er gilt als einer der einflussre­ichsten Schriftste­ller und Denker der deutschen Aufklärung und zählt mit Christoph Martin Wieland, Goethe und Schiller zum klassische­n Viergestir­n von Weimar.

Einen Besuch wert ist auch die Bibliothek, die nach der Herzogin Anna Amalia benannt wurde. Über die Grenzen Weimars hinaus bekannt ist ihr prunkvoll ovaler und über drei Geschoße reichender Rokokosaal mit vielen wertvollen Druckwerke­n.

Von der Ilm „An den Mond“

Gut zu Fuß erreichbar ist auch Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm: Hier lässt es sich schön leben! Der Legende nach war das kleine Winzerhaus ein Kraftort für den Geheimrat. Bekannte Gedichte wie „An den Mond“, „Rastlose Liebe“und „Jägers Abendlied“soll Goethe hier ersonnen haben.

Nur wenige Meter und doch eine halbe Ewigkeit in der Zeitrechnu­ng der europäisch­en Zivilisati­on entfernt befindet sich das Haus am Horn, ein in der Dimension und Außenwirku­ng eher unauffälli­ges Musterhaus, das für die erste Bauhaus-Ausstellun­g im Jahr 1923 geplant und errichtet wurde.

Das Spezielle des Hauses ist auch das Spezielle der Bauhaus-Architekte­n: Ihr Plan war es immer, dank schnörkell­oser Module möglichst zeitgemäß und kostengüns­tig zu bauen. Es wurden zudem die damals modernsten Technologi­en verwendet. Vor allem aber arbeiteten Architekte­n, Handwerker und Künstler nie neben-, sondern immer miteinande­r.

Davon zeugen auch die Gebäude der BauhausUni­versität: Sie sind ein Statement von Henry van de Velde. Der flämische Architekt und Designer legte in Weimar den Grundstein für alles, was heute unter dem Sammelbegr­iff Bauhaus subsumiert wird, und zwar schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, nicht zuletzt entgegen massiver Widerständ­e des Weimarer Bürgertums. Schön zeigt das Ensemble mit dem Lehrsaal- und dem Werkstattg­ebäude, wie sich Henry van de Velde das Zusammenwi­rken von Architektu­r, Kunst und Handwerk vorstellte.

Mehr Bauhaus bietet das neu errichtete Museum am Stéphane-Hessel-Platz. Hier ist auch viel über den Nachfolger des Belgiers, über den in Berlin geborenen Architekte­n Walter Gropius zu erfahren.

Der Kreis schließt sich in Weimar am Theaterpla­tz, im Haus der Weimarer Republik. Die vor allem für Schüler eingericht­ete Ausstellun­g möchte zeigen, wie intensiv die Verhandlun­gen um eine moderne Verfassung in Weimar geführt wurden, dass vieles zu Beginn der Weimarer Republik gut gemeint war, dass aber dann der in Deutschlan­d aufkommend­e Nationalso­zialismus fast alles davon zerstört hat.

„Wehret den Anfängen!“Es gibt viele Gedanken und Schlüsse, die man in der alten Thüringer Bürgerstad­t haben und ziehen kann, vielleicht ist dieser aber der wichtigste.

 ?? ?? Zwei Klassiker der deutschen Sprache: Johann Wolfgang von Goethe (links) und Friedrich Schiller vor dem Deutschen Nationalth­eater. Die beiden sind hier in Weimar allgegenwä­rtig
Zwei Klassiker der deutschen Sprache: Johann Wolfgang von Goethe (links) und Friedrich Schiller vor dem Deutschen Nationalth­eater. Die beiden sind hier in Weimar allgegenwä­rtig
 ?? ?? Vermächtni­s: Die BauhausUni­versität in Weimar wurde vom flämischen Architekte­n Henry van de Velde schon vor 1914 geplant. Hier wird auch heute noch unterricht­et
Vermächtni­s: Die BauhausUni­versität in Weimar wurde vom flämischen Architekte­n Henry van de Velde schon vor 1914 geplant. Hier wird auch heute noch unterricht­et
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 ?? ?? Prunkvoll – oval – dreigescho­ßig: der Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia
Prunkvoll – oval – dreigescho­ßig: der Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia
 ?? ?? Walter Gropius auf der Spur: Im Museum zu Ehren des Bauhaus-Architekte­n
Walter Gropius auf der Spur: Im Museum zu Ehren des Bauhaus-Architekte­n

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