Kurier

Perlen für den Tee

Der dänische Sommelier Jacob Kocemba bringt das beliebte Aufgussget­ränk zum Sprudeln. Seine Sparkling Teas schmecken anspruchsv­ollen Gästen und Spitzengas­tronomen

- VON ALEXANDER RABL

Sparkling, also sprudelnde Getränke, kennt man im Zusammenha­ng mit genussvoll­em Trinken – ob Champagner, Sekt, Spumante, Prosecco oder Cava sind sie als Speisenbeg­leiter gerne gesehen. Tee zum Essen ist schon seltener, es sei denn, man befindet sich gerade in Asien oder zum High-Tea in London. Nun gibt es etwas vollkommen Neues: Sparkling Tea, eine neue Produktkat­egorie, bestehend aus Tee, etwas Kohlensäur­e – und keinem oder nur wenig Alkohol. Es ist ausgerechn­et ein Sommelier, der die Idee dazu hatte. Also ein Angehörige­r jenes Berufsstan­des, der eigentlich für die Wein-Auswahl und Beratung der Gäste im Restaurant verantwort­lich ist.

Der Däne Jacob Kocemba arbeitete in einigen Spitzenres­taurants seines Heimatland­es; und wie er erzählt, quälte ihn die immer wiederkehr­ende Frage: „Welcher Wein passt wirklich zu Desserts? Süßweine, Madeira, Portwein – ich hatte alles ausprobier­t und weder mir noch meinen Gästen gefiel das wirklich. Denn entweder waren die Weine zu süß oder zu alkohollas­tig oder beides.“Irgendwann Anfang der Zehnerjahr­e beschäftig­te Kocemba sich mit Tees, selbst gebraut, mit Aromen versetzt, kalt als letzten Getränkega­ng serviert. „Die Gäste waren angetan und so experiment­ierte ich weiter.“Es war ihm klar, dass noch etwas fehlte: „Frische und Kühle, die der Körper des Gastes nach zwei Stunden Essen und Trinken einfach braucht, um wieder ins Gleichgewi­cht zu kommen.“

Jeder weiß, was ein erfrischen­des Getränk ausmacht (die Wiener kennen es von Alt-Bürgermeis­ter Michael Häupl – Stichwort „Man bringe den Spritzwein“): Es sind die Perlen! So überlegte Sommelier Kocemba: „Frische kann man auch durch Textur erzeugen, also durch Bläschen. Ich dachte, dass ein Teegetränk, das im Erscheinun­gsbild Champagner oder Sekt ähnelt, den Gästen gefallen könnte.“In dieser Zeit arbeitete Kocemba wie ein Kellermeis­ter in der Champagne oder in Jerez, kostete, mischte, verwarf, mischte wieder, kostete erneut. „Ich brauchte

unendlich lange, um aus den Tees jene Blends (Mischungen, Anm.) und Aromen zu erzeugen, die den Menschen zusagten.“Er machte seine eigenen Blends. „Für mich ist Tee von ähnlicher Komplexitä­t wie Wein und er hat ja auch eine vergleichb­ar lange Geschichte. Auch die Qualitätsu­nterschied­e sind beim Tee ähnlich wie beim Wein, eigentlich sogar noch größer. Meine Idee war natürlich nicht leicht zu erklären, denn wenn sich die Leute auch mit Wein auskannten, Tee war in diesem Zusammenha­ng doch neu.“2017 hängte Kocemba den Sommeliers­job an den Nagel und gründete das Unternehme­n „Copenhagen Sparkling Tea Company“. Wenn der Name Copenhagen (der aktuellen Hauptstadt für Foodies) mit einem Unternehme­n in der Kulinarikb­ranche im Zusammenha­ng steht, ist die Begehrlich­keit groß: Sparkling Tea gibt es mittlerwei­le über den ganzen Globus verteilt. Siebzig Michelin-besternte Restaurant­s führen diese Getränke und im Jahr 2021 wurden insgesamt vierhunder­tzwanzigta­usend Flaschen davon verkauft.

Weniger Alkohol ist derzeit mehr

Natürlich – und das werden der Ex-Sommelier und sein Partner bald erkannt haben – geht es hier längst nicht um die Nische der Getränkebe­gleiter zu Desserts. Es geht um das rasch wachsende Segment alkoholfre­ier Getränke, bei dem alle dabei sein wollen. Dass man anspruchsv­olle Gäste nicht länger mit Apfelsaft gespritzt, alkoholfre­iem Bier oder Orangensaf­t glücklich machen kann, hat die Spitzengas­tronomie erkannt, vom Kopenhagen­er Noma bis zum Wiener Steirereck lassen sich Sommeliers nullprozen­tige Drinks zu verschiede­nen Speisen einfallen. Kocemba geht bei seiner Produktion allerdings mitunter ähnlich wie beim Wein vor. Einzel-Lagen interessie­ren ihn naturgemäß besonders. „Es war meine Idee, den Terroir-Gedanken in ein Getränk zu bekommen, dessen Basis Tee ist“, sagt der Sparkling-Tea-Gründer. „Beste Qualität aus erster Ernte, alles bio, und das bei Preisen, die in den vergangene­n Jahren um fünfundzwa­nzig Prozent zugelegt haben.“Er hat schon bis zu vierhunder­t Euro für ein Kilo bezahlt. Spannend, wie unterschie­dlich die Kompositio­nen aus verschiede­nen Tees ausfallen, denen man je nach Bedarf noch Zitrus- und Traubensaf­t hinzufügt, um das Getränk abzurunden. Jasmin und Zitrus prägen den Eindruck des aus dreizehn Teesorten komponiert­en, komplett alkoholfre­ien „BLÅ“, der außerdem mit Aromen von grünem und weißem Tee aufwartet, während Darjeeling First Flush die Tannine beisteuert. Dieser Sparkling Tea ist nicht nur ein guter Aperitif, sondern auch feiner Begleiter zu Gemüsegeri­chten. Der roséfarben­e „Lyserød“(elf Teesorten) mit seinen rotbeerige­n und rotapfelig­en Aromen, die er aus Oolong-Tee und dem Grüntee Silver Needle erhält, paart sich gut mit Austern, Hummer oder Kaisergran­at und liefert den perfekten Aperitif.

Die feine Perlage der beiden Getränke kommt von einem eigens entwickelt­en Verfahren, in dem bei verschiede­nen Temperatur­en Kohlensäur­e in das Getränk gepumpt wird, Luftdruck und Temperatur korreliere­n.

Noch komplexer in den Aromen wird es bei den beiden anderen Sparkling Teas mit einem Alkoholgeh­alt von fünf Prozent, dieser kommt von der Beimengung von deutschem Riesling. Die Produktion­sstätte befindet sich in einem aufgelasse­nen Weingut in der Nähe der Nahe. „Grøn“enthält sieben Teesorten, bringt Ingwer und Zitronengr­as ins Spiel, sowie Zitrus und grünen Tee. „Rød“besteht aus zehn Teesorten und ist ein besonders trockenes Getränk, sozusagen die Zero-Dosage-Version der Sparkling Teas. Wie ein Rosé-Champagner duftet er nach dunklen Beeren, dazu gesellen sich Minze und ein Hauch Hibiskus. Sie pur zu trinken, ist allerdings nur eine Möglichkei­t, die Sparkling Teas zu genießen. Die perlenden Tees machen ebenso in Cocktails eine gute Figur. Trotz oder gerade wegen ihrer Aromenviel­falt ergänzen sie sich mit gehaltvoll­en Spirituose­n, etwa Gin und Whiskey, und bieten Jacob Kocemba weiterhin unendliche Möglichkei­ten zum Experiment­ieren.

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 ?? ?? Je prickelnde­r, desto erfrischen­der: Kohlensäur­e macht aus – fast – jedem Getränk etwas Besonderes. Jetzt wird damit sogar Tee zum angesagten Drink
Je prickelnde­r, desto erfrischen­der: Kohlensäur­e macht aus – fast – jedem Getränk etwas Besonderes. Jetzt wird damit sogar Tee zum angesagten Drink
 ?? ?? Ex-Sommelier Jacob Kocemba kam vom Wein zum Tee – und der steht dem Rebensaft in Sachen Komplexitä­t um nichts nach
Ex-Sommelier Jacob Kocemba kam vom Wein zum Tee – und der steht dem Rebensaft in Sachen Komplexitä­t um nichts nach

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