Kurier

Parkplätze und Opportunit­ätskosten

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Warum wird manchmal eine Fabrik geschlosse­n, obwohl sie Profit macht? Oft führen solche Entscheidu­ngen zu verständni­slosem Kopfschütt­eln. Dahinter steckt aber oft ein wichtiger Gedanke, den wir täglich berücksich­tigen sollen – von der privaten Geldanlage bis zum Umweltschu­tz: das Konzept der Opportunit­ätskosten.

Die Opportunit­ätskosten sind keine Kosten, die man tatsächlic­h zahlen muss, sondern Nutzen, auf den man verzichtet.

Wenn ich hunderttau­send Euro anlege, mit einem Zinssatz von einem Prozent, dann bekomme ich nach einem Jahr tausend Euro Zinsen. Wenn ich dasselbe Geld aber anderswo mit zwei Prozent Zinsen anlegen hätte können, dann hätte ich dort nach einem Jahr zweitausen­d Euro dazubekomm­en. Ich habe nun also tausend Euro weniger, als ich haben könnte – das sind meine Opportunit­ätskosten.

Daher ist es manchmal sinnvoll, ein gewinnbrin­gendes Produkt einzustell­en, wenn man mit derselben Maschine stattdesse­n auch etwas anderes produziere­n kann, was noch mehr Profit bringt. Das ist nicht böse, menschenfe­indlich oder profitgier­ig, sondern bloß logisch. Das Bessere ist der Feind des Guten.

Dass etwas Vorteile bringt, ist nicht genug. Man muss immer fragen: Bringt etwas anderes vielleicht noch mehr Vorteile? Ein gutes Beispiel dafür ist der Verkehr: Wir haben unsere Städte extrem autofreund­lich gestaltet. Wir haben riesengroß­e Flächen zu Parkplätze­n gemacht, wir haben Tiefgarage­n errichtet, wir haben alle Straßen asphaltier­t, damit man mit dem Auto problemlos vorankommt. Das bringt Nutzen. Es ist praktisch, mit dem Auto mal schnell ans andere Ende der Stadt fahren zu können. Fürs Klima ist es schlecht, aber das lässt sich vielleicht lösen, enn wir auf lektromobi­lität und Alternativ­energie umsteigen.

Was aber auch dann noch bleibt und oft übersehen wird, sind die Opportunit­ätskosten des Autoverkeh­rs: Wenn wir denselben Platz für etwas anderes verwenden könnten, hätten wir dann nicht noch mehr Nutzen?

Würden wir weniger Parkplätze brauchen, hätten wir viel mehr Platz für Straßenbeg­rünung und Parks. Fahrradver­kehr wäre plötzlich viel attraktive­r. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel kämen deutlich schneller voran. Auf Nebenstraß­en könnten Kinder spielen, wie das vor Erfindung des Autos ganz normal war. Wir hätten weniger Lärm und weniger Stress. Die Lebensqual­ität würde steigen.

Man redet sich den Autoverkeh­r allzu gerne schön, weil man ihn mit einem hypothetis­chen Szenario vergleicht, in dem alles so bleibt, wie es ist, aber man selbst den Nutzen des Autos nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Das ist aber ein Denkfehler.

Wir müssen die aktuelle Situation mit der bestmöglic­hen Alternativ­e vergleiche­n – die Differenz in der Lebensqual­ität sind die Opportunit­ätskosten, die wir unklugerwe­ise für das Autofahren bezahlen.

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Florian Aigner ist Physiker, Buchautor und Wissenscha­ftserkläre­r.

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