„Also, ich tät' mi nimmer erkennen“
Vor 46 Jahren war sie „Mundls“Tochter Hanni und blieb seither als Salzburgerin eine echte Wienerin, die nicht untergeht. Heute, Montag, ist sie 70
Es gab sie einmal, die Zeiten, in denen der ORF
„Kochsendungen für die Volksseele“ausstrahlte. Dazu zählten gelegentliche Club 2Erregungen wie Nina Hagens
Livekurs in Sachen Masturbation (1979) und Peter Patzaks elegante Exekutive-Exekution „Kottan ermittelt“(ab 1976).
Aber aus heutiger Rück-Sicht, also in unseren Tagen, in denen man aus dem Flatscreen wohl nur dann echte Gefühle herauskriegt, wenn man ihn mit nassen Händen bei aufrechter Stromverbindung hinterrücks öffnet, mit nostalgiefeuchten zusammengekniffenen Augen erkennt man: Damals erfüllte das Medium seinen Bildungsauftrag weitaus radikaler als jemals danach.
Höhepunkt und unveränderte Herzensangelegenheit: „Ein echter Wiener geht nicht unter“, zu „Mundl“verkürzt, eine 24-Folgen-Serie aus dem Leben der Familie Sackbauer.
Die umwerfend unterhaltsame Unterschicht barg jede Menge Moral. Arbeiterdichter Ernst Hinterberger (њ 2012)
hatte den wunden Punkt mit seinem authentischen Ton voll getroffen. Die Reaktionen des Publikums waren stets erheblich ordinärer als die dezibelstarken Dialoge von „Mundl“Karl Merkatz (91), seiner Gemahlin „Toni“Ingrid Burkhard oder Tochter „Hanni“. In diese Rolle stolperte 1976 die gebürtige Salzburgerin Erika Deutinger. Heute, Montag, ist sie 70 und wundert sich beim KURIER-Telefonat, dass sie – nach 46 Jahren! – immer noch als naive, aber kerzengerade „Hanni“auf der Straße angesprochen und – samt wohlerworbener Falten – unverdrossen besetzt wird: „Also, ganz ehrlich gestanden: Ich tät' mi nimmer erkennen ...“
Deutinger, seit November mit Karikaturist „Itze“Grünzweig (66) verheiratet und in Klosterneuburg glückliche „Gartlerin mit eigenen Paradeisern“, wurde im Lauf der jahrzehntelangen Laufbahn selbst zu einer echten Wienerin, die nicht untergeht. So bilanziert sie die Dauer der Verbindung zu ihrem Lebensmenschen fast kaufmännisch: „Wir sind 38 Jahre brutto und 34 Jahre netto zusammen – weil zweimal haben wir uns schon a Zeiterl getrennt.“
Sie macht Lesungen, Kabarett, spielt Theater (etwa ab 7. Juli im Lustspielhaus am Hof) und im TV (im Herbst übrigens als ausgemergelte ExBoxerin in „SOKO Donau“).
Sie hält sich frisch, froh und fit – aber nicht unter dem Messer, sondern im Radsattel und auf Bergeskämmen. Seit sie und ihr Mann vor Jahren die letzte Zigarette ausdämpften („Die Trafik bei uns am Eck ist daraufhin eingegangen ...“), werden sie plötzlich auf ihren teils tapferen Touren (wie auf die Seespitze mit 3.021 Meter) „von allen anderen überholt“.
Nächstes Jahr spielt Deutinger mit Gerhard Ernst im Waldviertler Hoftheater. Die ganz große Karriere blieb aus. „Nur weil du bekannt bist“, sagt sie, „heißt das noch lang nicht, dass alles gut geht. Der Erfolg als Hanni war einfach WOW! Verdient hat man ja damals keine Eckhäuser, aber profitiert haben wir menschlich – wir sind seitdem eine
Großfamilie. Bis zum kleinsten Kabelträger sagen sie alle heute noch: Wir waren beim Mundl dabei! Aber die Popularität ist zweischneidig. Die ,Hannerl‘ war kein KarriereTurbo. Ich bekam nur Rollen als Friseurin, Kellnerin oder Verkäuferin. Was ich nie gelernt habe: Mit Wiedererkennung umzugehen. Ich will unfrisiert zum Supermarkt und bei Rot in der Nase popeln.“
Das Leiwandste an ihrem Beruf? – „Mit leiwande Leut' leiwande G'schichten erzählen. Es ist immer interessanter, das Scheitern zu zeigen als das G'winnen und das Aufsteigen.“
Und der ewige, unvergilbte Schwarz-Weiß-Zauber an diesem Mundl? Erika Deutinger: „Kein Handy, kein Laptop, kein Internet – und alles so aktuell wie damals: Schulden, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, soziale Unruhe. Nein, es ist sogar noch schlimmer als damals.“