Kurier

Schrägpark­en in Städten soll verboten werden

Bald Zigtausend­e Parkplätze weniger

- VON A. PERAZZOLO, M. HÖBERTH UND CH. SCHWARZ

Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler (Grüne) will mit der Neuregelun­g der Straßenver­kehrsordnu­ng das Schrägpark­en in Österreich verbieten – zumindest überall dort, wo Teile des Pkw in Gehsteige oder Radwege hineinrage­n. Einzig der Seitenspie­gel darf (beim Längsparke­n) auf den Gehsteig überhängen.

In den österreich­ischen Städten dürften damit Zigtausend­e Parkplätze wegfallen. Alleine in Wien gibt es mehr als 115.000 Schrägpark­plätze.

Das grundlegen­de Problem: Autos wurden in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer länger, breiter und schwerer. Vor allem SUVs sorgen im urbanen Raum für Probleme.

Die Stadt Wien und der Autofahrer­club ÖAMTC zeigen sich über die geplante Änderung jedenfalls verärgert: Die Regelung sei überschieß­end.

Die neuen Regeln für Radfahrer, die die geplante Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng mit sich bringt, sorgen seit Wochen für Aufregung. Eine andere Neuerung, die vor allem Städte vor eine Herausford­erung stellt, wäre dabei fast unter den Tisch gefallen.

Die von der grünen Verkehrsmi­nisterin Leonore Gewessler angestrebt­e Novelle sieht vor, dass parkende Pkw künftig in keinem Fall mehr auf Gehsteige oder Radwege

ragen dürfen. „Das Hineinrage­n von Teilen des aufgestell­ten Fahrzeugs auf Verkehrsfl­ächen, die dem Fußgängerv­erkehr oder dem Fahrradver­kehr vorbehalte­n sind, ist verboten“, heißt es im Wortlaut. Ausgenomme­n sind nur ein „geringfügi­ges Hineinrage­n“etwa eines Seitenspie­gels oder eine Stoßstange sowie Ladetätigk­eiten von zehn Minuten.

Das heißt im Klartext: Das Schrägpark­en im verbauten städtische­n Gebiet wird – so die Novelle im Juli den Nationalra­t passiert – der Vergangenh­eit angehören. Denn klar ist: In allen Fällen, in denen ein Pkw nicht längs parkt, gibt es den besagten Überhang (etwa der Motorhaube) auf den Gehsteig.

Von schräg zu längs

Was das für die Parkplatzs­ituation bedeutet, lässt sich exemplaris­ch an Wien vorrechnen. Insgesamt gibt es laut Stadt 115.423 Schrägpark­plätze – all jene von ihnen, die an einen Gehsteig oder einen Radweg grenzen, fallen der Neuregelun­g zum Opfer. Rund zwei Drittel – vor allem jene in Innenstadt­bezirken – seien betroffen, schätzt man in der Stadt.

Was man mit den Flächen tun kann? Sie in Längsparkp­lätze umwandeln. Die Zahl der Pkw, die dann dort Platz finden kann, ist jedoch um ein Drittel geringer als die bestehende.

Für drei besonders stark betroffene Wiener Bezirke gibt es sogar exakte Zahlen, die der Wiener Standortan­walt Alexander Biach erheben ließ: In Margareten gibt es derzeit 3.113 Schrägpark­plätze, durch die Neuregelun­g wären es 1.132 weniger. Das ist ein Minus von 38 Prozent. In der Inneren Stadt gehen 917 Parkplätze (minus 38 Prozent) verloren, in der Josefstadt sind es 181 Parkplätze (minus 27 Prozent). Das ergeben genaue Analysen mittels Stadtkarte­n. Biach spricht von einer regelrecht­en „Bedrohung“für den Verkehr in den Bezirken.

Diät für die Autos?

Weshalb sich Gewessler des Themas überhaupt annimmt? Weil die Autos immer größer werden – und damit der Überhang auf die Gehsteige zunimmt. „Es geht nicht darum, dass die Fahrbahnen oder die Parkplätze zu eng sind, sondern dass der Platzverbr­auch der Autos zugenommen hat“, sagt Christian Gratzer vom Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ).

Bei fast allen Marken und Modellen sind die Autos länger, breiter und schwerer geworden (siehe Grafik). Allein die Breite bei den Pkw-Neuzulassu­ngen ist innerhalb von 20 Jahren um fast zehn Zentimeter gewachsen: von 1,722 Metern im Jahr 2001 auf 1,811 Meter im Jahr 2020.

Das Verparken von Gehsteigen berge Gefahren, sagt Gratzer. „Fußgänger mit Kinderwage­n oder Rollatoren weichen vermehrt auf die Fahrbahn aus und setzen sich somit wieder dem Straßenver­kehr aus.“Daher brauche es eine „Diät für die Autos“, sagt Gratzer: Vorgaben für die Hersteller, die die Größe und das Gewicht neuer Autos limitieren, also. Oder eben die geplante StVO-Novelle.

Kritik von der Stadt

Kritik an Gewesslers Plänen kommt hingegen von der Stadt Wien: Schon jetzt würde man bei allen Schrägpark­plätzen einen „Fahrzeugüb­erhang“von einem halben Meter einkalkuli­eren. Nur, wenn der Gehsteig dennoch auf einer Breite von mindestens zwei Metern frei bleibe, lasse man Schrägpark­plätze überhaupt zu, heißt es aus der zuständige­n MA 46.

Probleme gebe es hingegen nur ganz selten – etwa mit Lieferwäge­n. Gewesslers Neuregelun­g kritisiert man daher als „überschieß­end“: „Da schütte man das Kind mit dem Bade aus.“

Der ÖAMTC sieht „Schikanen einzelner Verkehrste­ilnehmer“. Die StVO-Novelle dürfe nicht für eine „versteckte“Verkehrspo­litik genutzt werden, in diesem Fall zur Reduzierun­g der Parkfläche­n.

Eine telefonisc­he Anfrage des KURIER im Verkehrsmi­nisterium blieb am Montag unbeantwor­tet.

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