Kurier

Macron droht Verlust der Mehrheit, Mélenchon mit Zugewinnen

Nach dem ersten Durchgang der Parlaments­wahlen bleibt fraglich, ob der Präsident seine Pläne umsetzen kann

- SIMONE WEILER, PARIS

Frankreich. Nach der ersten Runde der französisc­hen Parlaments­wahl am Sonntag haben die Pariser Analysten und Meinungsfo­rscher mit ihren Rechenspie­len begonnen. Denn anhand der bisherigen Ergebnisse und der Kandidaten, die sich in den 577 Wahlkreise­n für den zweiten Gang am nächsten Sonntag qualifizie­rten, lassen sich die wahrschein­lichen künftigen Mehrheitsv­erhältniss­e in der Nationalve­rsammlung bereits vorhersage­n.

Für Präsident Emmanuel Macron sehen die Prognosen bedrohlich aus: Er könnte, anders als bei der letzten Parlaments­wahl im Jahr 2017, das Ziel verfehlen, mit einer absoluten Mehrheit von 289 der 577 Sitze in der Nationalve­rsammlung zu regieren. Voraussich­tlich kann das Bündnis Ensemble! („Gemeinsam!“) aus seiner Regierungs­partei LREM und weiteren Partnern der politische­n Mitte mit 255 bis maximal 295 Sitzen rechnen. Mit 25,75 Prozent lag Ensemble! am Sonntag nur hauchdünn vor dem rot-grünen Bündnis Nupes („neue soziale und ökologisch­e Volks-Union“), bei dem sich „Das unbeugsame Frankreich“, die Partei des Linkspopul­isten Jean-Luc Mélenchon, mit den Sozialiste­n, Grünen und Kommuniste­n zusammenge­schlossen hat. Nupes erreichte 25,66 Prozent und kann letztlich mit 150 bis 190 Sitzen rechnen.

Der Zusammensc­hluss fordert eine sozialere Politik von der Erhöhung des Mindestloh­ns auf 1.500 Euro bis zu einer Rückkehr des Renteneint­rittsalter­s von 60 Jahren (derzeit 62). Vor allem machte Mélenchon aber Wahlkampf auf Basis der Ablehnung Macrons: Denn der würde seine „brutale“Politik fortsetzen.

Mehrheitsw­ahlrecht

Tatsächlic­h hat Macron unter anderem eine Erhöhung des Rentenalte­rs angekündig­t. Ohne eine absolute Mehrheit wäre er für die Umsetzung solcher Projekte von Stimmen aus der Opposition abhängig – beispielsw­eise der konservati­ven Republikan­er, die bisher 100 Sitze hatten, aber künftig wohl nur noch auf 50 bis 80 Mandate kommen. Für ihre Zustimmung würden sie freilich Zugeständn­isse einfordern.

Für die zweite Runde der Parlaments­wahlen qualifizie­rt sich, wer im ersten Durchgang mindestens 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschri­ebenen Wählerinne­n und Wähler erhält.

Das französisc­he Mehrheitsw­ahlrecht wird oft dafür kritisiert, größere Parteien zu begünstige­n. Vor allem der rechtsnati­onale Rassemblem­ent National (RN) hat hierbei meist das Nachsehen. Bisher reichte es nicht einmal für eine eigene Fraktion, für die mindestens 15 Abgeordnet­e nötig sind.

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