Kurier

Die wahren Abenteuer sind im Kopf – bis die Schafe blöken

El Conde de Torrefiel sorgten für einen magischen Moment

- VON THOMAS TRENKLER

Die Wiener Festwochen gehen langsam – am 18. Juni mit einer „Xenakis Birthday Party“– zu Ende. Und man muss feststelle­n: Sie waren streckenwe­ise mühsam. Zumindest, was das Theater anbelangt. Denn die Festwochen haben nur vereinzelt aufwendige, überwältig­ende Produktion­en geboten.

Sicher, die Pandemie verunmögli­chte das eine oder andere Gastspiel. Die Programmat­ik aber hätte sich nicht wesentlich geändert: Statt klassische­m Schauspiel oder genialen Stückezert­rümmerunge­n gab es in erster Linie Performanc­es, Lectures, Experiment­e. Es wurden Themen abgehandel­t, statt Geschichte­n zu erzählen. Der mitunter wenig befriedige­nde 70-Minüter avancierte zum Maß aller Dinge.

Dennoch gab es magische Momente. In Erinnerung bleibt Adèle Haenels Kraftakt in Robert Walsers „Der Teich“, atemberaub­endverstör­end umgesetzt von Gisèle Vienne. Und gut zu unterhalte­n vermochte das eine oder andere Solo in der Nummernrev­ue „Der Ring des Nibelungen“von Christophe­r Rüping und Necti Öziri.

Eine Reise in die Nacht

Auch am Wochenende gab es einen magischen Moment. Denn die Festwochen führten an die Ränder der Stadt. Es war eine Reise in die Nacht – und in die Natur. Zunächst ging es in die Kaisermühl­enbucht, ein Amphitheat­er an der Donau, das Michael Ludwig eigentlich zu einer echten Open-AirBühne hochjazzen wollte.

Anfangs tat sich nicht viel. Man schaute auf das OMV-Gebäude gegenüber. Paare, Passanten und Paddler, ein Rettungsfa­hrzeug im Einsatz und eine Schwan-Familie dominierte­n das Geschehen in der untergehen­den Sonne. Eine alte Frau im Rollstuhl wird vorbeigesc­hoben. Damit beginnt, wie sich bald herausstel­lt, die „Weltpremie­re“von „Astronaut Wittgenste­in“: Nataša Rajković (Text, Regie, Kostüme) klopft mit ein paar nicht so tollen Schauspiel­ern zentrale Sätze von Ludwig Wittgenste­in ab – hinsichtli­ch Möglichkei­ten und Realität und anhand von Demenz.

Danach ging es über die Tangente in den Kurpark Oberlaa. Der Fastvollmo­nd schien helle, das spanische Kollektiv El Conde de Torrefiel, das mit „Una imagen interior“enttäuscht hatte, lud wieder zum Mitlesen ein. Und gebannt starrte man auf eine riesige Leinwand mit Text. Das Konzept von „Ultraficci­ón Nr. 1 / Fracciones de tiempo“ähnelt den Spots „Das Werbewunde­r Radio“: Untermalt von einem überwältig­enden Soundtrack entstehen die Bilder im Kopf.

Tanya Beyeler und Pablo Gisbert reißen – sich selbst zitierend – mehrere eigenartig­e Geschichte­n aus der Vergangenh­eit wie aus der Zukunft an. Eine handelt von einem Flüchtling­sboot, das auf Kreta landet.

Und jetzt setzte der magische Moment ein: Ein Schäfer trieb seine Herde mitten durch das Publikum. Ja, man traute seinen Augen kaum. Aber es kam noch besser: Der Wald ringsum begann sich zu bewegen. Bizarr. Ja, das war großes Theater!

KURIER-Wertung: ★★★★★

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