Kurier

„Im Idealfall steht nichts in der Zeitung“

Heuer werden viele Fälle im Tourismus, im Gewerbe bis hin zu Handel und Bau erwartet. Bevor es zur Pleite kommt, werden oft Profis der Banken tätig

- VON MICHAEL BACHNER

Nach Auslaufen fast aller staatliche­n Corona-Hilfen erwarten Experten heuer und im kommenden Jahr einen sprunghaft­en Anstieg bei Pleiten und Sanierunge­n. In den Pandemieja­hren 2020 und 2021 wurden viele Unternehme­nsprobleme mit viel Geld „wegsubvent­ioniert, jetzt sieht man einen gewissen Nachholeff­ekt“, sagt Sanierungs­experte Ralf Zeitlberge­r im Gespräch mit dem KURIER.

Sanierunge­n (oder „Restruktur­ierungen“im Fachjargon) werden vor einem Insolvenzv­erfahren auf Seite der Banken versucht, um Betriebe und Arbeitsplä­tze – und natürlich offene Forderunge­n – zu retten. Da diese Sanierungs­bemühungen – mittels Umschuldun­gen, Schulden-Nachlässen, KreditStun­dungen etc. – vielfach außergeric­htlich zwischen Kreditinst­itut und Unternehme­n ablaufen, gibt es dazu keine Statistik wie bei den Pleiten. Zeitlberge­r sagt: „Die Insolvenzs­tatistik ist auch nur die Spitze des Eisberges.“

Mehr Volumen und Fälle

Laut einer Umfrage des unabhängig­en Restruktur­ierungsver­bandes ReTurn, ein Zusammensc­hluss von Sanierung s experten aus Banken, Anwalts kanzleien, Beratern und Wirtschaft s treuhänder­n, erwarten 90 Prozent der Befragten einen kräftigen Anstieg des Volumens wie auch der Anzahl der Sanierungs­fälle in den Jahren 2022 und 2023.

Zeitlberge­r, Vorstandsm­itglied beiReTurn, meint: „Wir sehen dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Die wirtschaft­liche Lage wird schwierige­r, und wir werden deutlich mehr Sa nie rungsv erfahren in den nächsten 18 Monaten sehen. Das wird alle Beteiligte­n eine Menge Geld kosten.“

Wichtig für erfolgreic­he Sanierunge­n sei, dass Fortbestan­dsprognose­n rechtzeiti­g gemacht werden und frühzeitig die Expertise eines erfahrenen Beraters an Bord geholt wird, ist der Experte überzeugt.

Erwartet wird der Anstieg der Sanierungs­fälle laut Umfrage vor allem im Tourismus, Hotel- und Gastgewerb­e (genannt von 73 Prozent der Befragten) sowie im produziere­nden Gewerbe und in der Industrie (59 Prozent) gefolgt vom Handel (46 Prozent) und Bau- bzw. Baunebenge­werbe (43 Prozent).

Weniger betroffen seien Dienstleis­tungen (23 %) oder der Immobilien­sektor (16 %). Befragt wurden dazu im April die Fachleute aus den Sanierung s abteilunge­n der heimischen Banken.

Das größte Hindernis aus Sicht der Banken für eine erfolgreic­he Sanierung ist relativ naheliegen­d das fehlende Eigen- oder Risikokapi­tal. Häufig hapert es aber auch an der Kooperatio­n zwischen Management und Eigentümer­n – da könne der externe Berater hilfreich sein.

Wenig hilfreich war bis dato das erst im Vorjahr in Kraft getretene Unternehme­nsreorgani­sat ions-Gesetz („Chapter 11 für Österreich“), sagt Zeitlberge­r. „Das Gesetz sollte Sanierunge­n erleichter­n, ist aber in der Praxis noch nicht angekommen. Solche Verfahren sind zu langsam und zu öffentlich­keitswirks­am, die Nachteile überwiegen. Es ist bisher kein bedeutende­s Verfahren nach dem neuen Gesetz bekannt.“

So bleibt es bisher – wenn alles gut geht und der Betrieb nicht in die Pleite schlittert – bei außergeric­htlichen Sanierunge­n. Sie gehen schneller und sind diskreter. „Unter Umständen ist die Sanierung in zwei Monaten unter Dach und Fach. Im besten Fall bekommen Lieferante­n, Kunden und Mitarbeite­r gar nichts davon mit. Im Idealfall steht auch nichts in der Zeitung.“

Ralf Zeitlberge­r Sanierungs­verband ReTurn „Das Gesetz sollte Sanierunge­n erleichter­n, ist aber in der Praxis noch nicht angekommen“

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Heimische Experten erwarten heuer und 2023 in Tourismus und Gastgewerb­e die meisten Sanierungs­fälle
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