„Im Idealfall steht nichts in der Zeitung“
Heuer werden viele Fälle im Tourismus, im Gewerbe bis hin zu Handel und Bau erwartet. Bevor es zur Pleite kommt, werden oft Profis der Banken tätig
Nach Auslaufen fast aller staatlichen Corona-Hilfen erwarten Experten heuer und im kommenden Jahr einen sprunghaften Anstieg bei Pleiten und Sanierungen. In den Pandemiejahren 2020 und 2021 wurden viele Unternehmensprobleme mit viel Geld „wegsubventioniert, jetzt sieht man einen gewissen Nachholeffekt“, sagt Sanierungsexperte Ralf Zeitlberger im Gespräch mit dem KURIER.
Sanierungen (oder „Restrukturierungen“im Fachjargon) werden vor einem Insolvenzverfahren auf Seite der Banken versucht, um Betriebe und Arbeitsplätze – und natürlich offene Forderungen – zu retten. Da diese Sanierungsbemühungen – mittels Umschuldungen, Schulden-Nachlässen, KreditStundungen etc. – vielfach außergerichtlich zwischen Kreditinstitut und Unternehmen ablaufen, gibt es dazu keine Statistik wie bei den Pleiten. Zeitlberger sagt: „Die Insolvenzstatistik ist auch nur die Spitze des Eisberges.“
Mehr Volumen und Fälle
Laut einer Umfrage des unabhängigen Restrukturierungsverbandes ReTurn, ein Zusammenschluss von Sanierung s experten aus Banken, Anwalts kanzleien, Beratern und Wirtschaft s treuhändern, erwarten 90 Prozent der Befragten einen kräftigen Anstieg des Volumens wie auch der Anzahl der Sanierungsfälle in den Jahren 2022 und 2023.
Zeitlberger, Vorstandsmitglied beiReTurn, meint: „Wir sehen dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Die wirtschaftliche Lage wird schwieriger, und wir werden deutlich mehr Sa nie rungsv erfahren in den nächsten 18 Monaten sehen. Das wird alle Beteiligten eine Menge Geld kosten.“
Wichtig für erfolgreiche Sanierungen sei, dass Fortbestandsprognosen rechtzeitig gemacht werden und frühzeitig die Expertise eines erfahrenen Beraters an Bord geholt wird, ist der Experte überzeugt.
Erwartet wird der Anstieg der Sanierungsfälle laut Umfrage vor allem im Tourismus, Hotel- und Gastgewerbe (genannt von 73 Prozent der Befragten) sowie im produzierenden Gewerbe und in der Industrie (59 Prozent) gefolgt vom Handel (46 Prozent) und Bau- bzw. Baunebengewerbe (43 Prozent).
Weniger betroffen seien Dienstleistungen (23 %) oder der Immobiliensektor (16 %). Befragt wurden dazu im April die Fachleute aus den Sanierung s abteilungen der heimischen Banken.
Das größte Hindernis aus Sicht der Banken für eine erfolgreiche Sanierung ist relativ naheliegend das fehlende Eigen- oder Risikokapital. Häufig hapert es aber auch an der Kooperation zwischen Management und Eigentümern – da könne der externe Berater hilfreich sein.
Wenig hilfreich war bis dato das erst im Vorjahr in Kraft getretene Unternehmensreorganisat ions-Gesetz („Chapter 11 für Österreich“), sagt Zeitlberger. „Das Gesetz sollte Sanierungen erleichtern, ist aber in der Praxis noch nicht angekommen. Solche Verfahren sind zu langsam und zu öffentlichkeitswirksam, die Nachteile überwiegen. Es ist bisher kein bedeutendes Verfahren nach dem neuen Gesetz bekannt.“
So bleibt es bisher – wenn alles gut geht und der Betrieb nicht in die Pleite schlittert – bei außergerichtlichen Sanierungen. Sie gehen schneller und sind diskreter. „Unter Umständen ist die Sanierung in zwei Monaten unter Dach und Fach. Im besten Fall bekommen Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter gar nichts davon mit. Im Idealfall steht auch nichts in der Zeitung.“
Ralf Zeitlberger Sanierungsverband ReTurn „Das Gesetz sollte Sanierungen erleichtern, ist aber in der Praxis noch nicht angekommen“