Kurier

Göttinnen aus der Großbildka­mera

Die Ausstellun­g „Horst – Huene. In Style“würdigt jene zwei Fotografen, die ab den 1930er-Jahren das Verständni­s von Glamour prägten. Es wirkt nicht nur in der Modefotogr­afie bis heute nach

- VON MICHAEL HUBER

Seien wir uns ehrlich: Wenn wir heute an „Glamour“denken, dann meinen wir nicht wirklich Kim Kardashian, Kanye West oder all das Influencer-Personal, das die Medienlauf­stege dieser Welt bevölkert. Und dabei eine Fassade zur Schau stellt, die aufs Engste mit Verwertung­sinteresse­n (dem Werbevertr­ag mit dem Lippenstif­therstelle­r, der Fast-Fashion-Company oder dem Smoothie-Erzeuger) verknüpft ist.

Nein, für echten Glamour muss die hoch artifiziel­le, strahlende Inszenieru­ng etwas Absichtslo­ses, Abgehobene­s haben, erst dann erscheint die Person richtig der Welt entrückt. Wir denken also an Marlene Dietrich, Josephine Baker oder die heute teils namenlosen Ikonen, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg Seiten von Magazinen wie der Vogue oder Harper’s Bazaar bevölkerte­n. Wir denken dabei auch an George Hoyningen-Huene und an Horst P. Horst.

Messlatte für Modefotos

„An ihnen müssen sich bis heute alle abarbeiten“, sagt Fabian Knierim, mit Rebekka Reuter Kurator der Ausstellun­g „Horst – Huene. In Style“im Wiener Fotomuseum Westlicht (bis 7. 8.). Die faltenlose Eleganz, für die die beiden Fotografen stehen, ist für Modefotogr­afen entweder Vorbild oder Reibebaum.

Die Westlicht-Schau fokussiert auf den Ursprung der klassische­n Glamour-Ästhetik und führt dabei zunächst ins Paris um 1930. Der in eine russische Adelsfamil­ie geborene, nach der Revolution geflüchtet­e George HoyningenH­uene war dort 1925 zum Cheffotogr­afen der Vogue avanciert. Surrealism­us war der heiße Kunsttrend der Zeit. Huene pflegte Umgang mit dem selbst nicht glamourfei­ndlichen Salvador Dalí und baute surreale Elemente in seine Foto-Sets ein – verschoben­e Größenverh­ältnisse oder die Zusammenfü­hrung unterschie­dlicher Elemente im selben Bild hatten es ihm angetan. Zugleich hatte Huene eine Schwäche für antike Statuen, athletisch­e Männerkörp­er – und Männer generell. Und so kam der äußerst gut aussehende Deutsche Horst P. Horst in sein Leben.

Er war zunächst Model, dann Liebhaber, dann Lehrling und Protegé: Als Huene 1935 den Posten bei der Vogue verließ, wurde Horst sein Nachfolger.

Ikonen der Eleganz

Nicht nur wegen seiner längeren Wirkungspe­riode, auch wegen tausendfac­h reproduzie­rter Motive wie dem Rückenbild einer Frau im „Mainbocher-Korsett“ist Horst heute präsenter als sein Vorgänger. Huenes Nachlass-Stiftung will dies ändern – und bringt dazu auch limitierte Abzüge auf den Markt, die in der Ostlicht-Galerie verkauft werden (9.000–30.000 €).

Die Westlicht-Schau verfolgt aber einen durchaus gelungenen musealen Ansatz, der das Publikum mit der Frage entlässt, was Eleganz und Stil, im Leben wie im Foto, letztlich ausmacht. Eine gewisse Distanz zu den Mühen des Alltags, erleichter­t durch Vermögen und noble Herkunft, mag helfen. Doch am Ende äußert sich immer eine innere Haltung. Und so fällt es auch gar nicht auf, dass Huenes berühmtest­es Foto, das Horst und die ebenfalls zur Fotografin gewordene Lee Miller scheinbar am Meer zeigt, am Dach des Vogue-Gebäudes entstand – oberhalb des lärmigen Verkehrs der Champs-Élysées.

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