Nächste Belagerung droht: Ukrainer in Chemiefabrik verschanzt
Düstere Meldungslage: Ukrainische Heimkinder nach Russland gebracht, Weizenmangel dauert wohl lange an
Krieg in der Ukraine. Während auch am 112. Tag des russischen Angriffskrieges in der Ukraine weitergekämpft wird, häuften sich am Mittwoch düstere Meldungen im Hinblick auf die Menschenrechtslage vor Ort und die weltweite Lebensmittelversorgung.
So befindet sich aktuell etwa die Untersuchungskommission des UNO-Menschenrechtsrats in der Ukraine, um mögliche Kriegsverbrechen zu dokumentieren. Dabei mehren sich die Hinweise darauf, dass etliche ukrainische Heimkinder in von Russland besetzten Gebieten offenbar nach Russland gebracht werden. Das gab Kommissarin Jasminka Džumhurin am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Kiew bekannt.
Die Kinder sollen offenbar schnellstmöglich von Russen adoptiert werden und die Staatsbürgerschaft erhalten. Überprüfen könne die Kommission die Berichte aktuell nicht, weil sie keinen Zugang zu den von Russland besetzen Gebieten habe. Auch wie viele Kinder betroffen sein sollen, konnte Džumhurin nicht sagen. Sie sprach allerdings von einer „bedeutenden Anzahl“.
Unterdessen gab der Landwirtschaftsminister der Ukraine, Mykola Solskij, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an, dass der weltweite Weizenmangel infolge des Krieges wohl mindestens drei Ernten lang bestehen werde: „Die Ukraine wird für eine lange Zeit vom Markt verschwinden. Wir können die Ernte des vergangenen Jahres nicht exportieren, wir können die gegenwärtige Ernte nicht einholen, um sie zu exportieren, und wir wollen die nächste eigentlich nicht aussäen.“
Angesichts der von Russland blockierten Häfen würden sich zunehmend Bauern vom Weizenanbau abwenden und versuchen, auf die Produktion von Raps- oder Sonnenblumenöl umzusteigen, so Solskij.
Zweites Mariupol droht
Im umkämpften Osten des Landes entsteht in der Stadt Sewerodonezk inzwischen die nächste Belagerungssituation:
Die verbliebenen ukrainischen Verteidiger haben sich auf das Gelände einer Chemiefabrik zurückgezogen und eine Kapitulationsfrist der Russen verstreichen lassen. Die Situation erinnert stark an die Entwicklungen in der Hafenstadt Mariupol vor gut einem Monat, wo ukrainische Soldaten wochenlang das Gelände eines Stahlwerks besetzt hatten.
Die ukrainischen Behörden versuchten indes weiter, eine Evakuierung von Sewerodonezk zu ermöglichen. Nach der Zerstörung der letzten strategisch wichtigen Brücke zieht sich der Belagerungsring um die Stadt, die ursprünglich gut 100.000 Einwohner hatte, allerdings immer enger.