Frust im Job: Viele wollen jetzt Stunden reduzieren
Arbeitszufriedenheit so tief wie in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr
Flexibilisierung. Seit den 1980er-Jahren ist die Arbeitswelt flexibler geworden. Haben Ende der 1990er-Jahre noch 85 Prozent der Beschäftigten Vollzeit gearbeitet, so sind es aktuell um die 70 Prozent. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten hat sich verdoppelt, jene der Leiharbeiter verfünffacht, rechnet Daniel Schönherr vom Sora-Institut vor. Die Arbeitswelt ist damit auch unsicherer geworden. So gut wie jeder zweite, der jetzt in Pension geht, war zumindest einmal in seiner Berufslaufbahn arbeitslos.
Und der Spruch, dass Bildung der Schlüssel zum beruflichen Erfolg ist, gilt aus Sicht von Schönherr nicht mehr: „Es sind viel mehr die
Privilegien, die jemand schon vor der Ausbildung gehabt hat, die entscheidend sind.“Viele aus unteren Gesellschaftsschichten wären zwar gut ausgebildet, würden aber einen Job bekommen, für den sie überqualifiziert und letztlich unterbezahlt sind.
Nervende Unplanbarkeit
Wenig rosig jedenfalls auch der Index zur Arbeitszufriedenheit, den Reinhard Raml vom Ifes-Institut seit mehr als zwei Jahrzehnten im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) erstellt. „Erstmals seit mehr als 20 Jahren sehen wir einen signifikanten Rückgang der Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen“, sagt
Raml. Die psychische Belastung und der Zeitdruck nehmen seit Ausbruch der Pandemie zu. Ob aus Personalmangel, wegen Lieferschwierigkeiten, Unplanbarkeiten oder der Notwendigkeit, das Mitarbeiter Tätigkeiten übernehmen, die nicht ihrem Jobprofil entsprechen.
Unter dem Strich führt das bei vielen dazu, dass sie ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, sagt Andreas Stangl, Präsident der AK OÖ. Umfragen zufolge hegen diesen Wunsch aktuell 54 Prozent der Vollzeitbeschäftigten. Im Durchschnitt wollen sie um 2,5 Stunden die Woche weniger arbeiten. Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte würde gern maximal 35 Stunden arbeiten. „Diese Quote lag früher zwischen acht und zehn Prozent, hat sich also verdreifacht“, betont Raml.
AK-OÖ-Präsident Stangl sieht Arbeitgeber in der Pflicht, entsprechende Arbeitszeitmodelle anzubieten, um überhaupt genügend Personal zu bekommen. Er verweist auf ein Hotel, das bereits auf eine 4-Tage-Woche umgestellt hat und „null Probleme hat, Mitarbeiter zu bekommen und zu halten“. Im Gegensatz zu vielen anderen Tourismusbetrieben, die in der Pandemie gekündigte Mitarbeiter nicht mehr zurückbekommen. Oft, weil diese jetzt in Branchen mit attraktiveren und vor allem planbareren Arbeitszeiten beschäftigt sind.