Wo die Pest ihren Ursprung nahm
Eine Grabinschrift in Kirgisistan brachte die Wissenschafter auf die Spur des Bakterienstamms, von dem der Schwarze Tod vor fast 700 Jahren seinen Ausgang nahm
Es war eine rätselhafte Krankheit, die eine lokale Handelsgemeinschaft Anfang des 14. Jahrhunderts heimsuchte. Zahlreiche Mitglieder starben und mussten begraben werden – Grabsteine sollte die Erinnerung an die Verstorbenen bewahren.
Dass diese Gedenksteine einmal entscheidende Puzzlesteine für die Wissenschaft sein würden, war damals nicht abzusehen. Das ahnten Archäologen erstmals Ende des 19. Jahrhunderts. Da fanden sie Steine, wie etwa diesen mit einer aramäisch-syrischen Inschrift: „Im Jahre 1649 (=1338 nach unserer Zeitrechnung) des Tigers. Dies ist die Grabstätte des Gläubigen Sanmaq. Er starb an der Pest“, war da zu lesen.
Die Forscher wurden hellhörig. War hier der Ausgangspunkt für die schlimmste Pandemie, die Europa und Asien bisher heimgesucht hat? Oder ging der Schwarze Tod doch von Ostasien, speziell China, aus, wie viele Forscher lange vermuteten?
In Skeletten
Eine Frage, über die in der Wissenschaft lange heftig diskutiert wurde. Gelöst werden kann so ein Rätsel nur, wenn mehrere Forschungsdisziplinen zusammenarbeiten. Deshalb untersuchten jetzt Archäologen, Historiker und Genetiker gemeinsam zwei Fundstätten in der Nähe des kirgisischen Yssykköl-Sees, wo einige solcher Pest-Inschriften zu finden sind. Und sie waren erfolgreich: Bei Skeletten von Personen, die Jahr 1338 gestorben waren, haben sie die DNA des Pestbakteriums Yersinia pestis nachgewiesen.
Somit war klar: „Die auf den Grabsteinen erwähnte Pandemie wurde tatsächlich durch die Pest verursacht“, erläutert Phil Slavin, Historiker an der University of Stirling (Schottland).
Doch bedeutete das auch, dass die Pandemie, der Millionen
von Menschen zum Opfer fielen, auch hier in Kirgistan ihren Ausgangspunkt nahm?
Wer diese Frage beantworten will, braucht Archäogenetiker – Menschen, die sich unter anderem mit der Evolution von Bakterien beschäftigen. Für die steht schon lange fest: Es muss einen engen Zusammenhang geben zwischen dem Ursprung des Schwarzen Todes und dem Zeitpunkt, an dem es zu einer massiven Diversifizierung der Peststämme kam – „Urknall der Pestdiversität“nennen die Forscher das. Sprich: Seit dem Zeitpunkt gibt es unterschiedliche Arten von Yersinia pestis.
Die Archäogenetikerin Maria Spyro hat den Zusammenhang zwischen diesem Urknall und dem Bakterium aus dem Jahr 1338 erforscht und festgestellt, dass sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Urknall stehen. Für sie ist klar: „Der Schwarze Tod entstand im Jahr 1338.“
Nagetiere
Doch entstand dieser Peststamm auch hier? Oder wurde er in diese Gegend eingeschleppt und breitete sich von hier weiter aus? Für den Hauptautor der Studie, Johannes Krause vom MaxPlanck-Institut für Anthropologie in Leipzig, steht fest: „Das Bakterium Yersinia pestis hat seinen Ursprung nicht im Menschen, sondern überlebt in wilden Nagetierpopulationen – in sogenannten Pestreservoirs. Das heißt, dass der alte Stamm, der die Epidemie 1338 und 1339 verursachte, aus einem solchen Reservoir stammen muss.“Noch heute finden Forscher engste verwandte dieses alten Stammes in dieser Region. „Der Vorfahre des Schwarzen Todes scheint also aus Zentralasien zu stammen“, schließt Krause.
Der Rest ist Geschichte: Über Handelsschiffe gelangte die Pest 1347 über das Schwarze Meer in den Mittelmeerraum und raffte 20 Millionen Menschen in Europa und Nordafrika dahin.