Kurier

Badelt: „Regierung entlastet auch Menschen, die es nicht nötig haben“

Warum das Entlastung­spaket Reformen langfristi­g schwierig macht und was der Fiskalrat empfohlen hätte

- MICHAEL HAMMERL

Das Leben wird immer teurer. Deshalb präsentier­te die türkis-grüne Bundesregi­erung am Mittwoch ein weiteres Entlastung­spaket – mit kurz- und langfristi­gen Maßnahmen. 28 Milliarden soll es bis 2026 kosten. Und wer bezahlt das? Laut Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) ist ein Großteil der Entlastung­en gegenfinan­ziert – über staatliche Mehrwertst­euereinnah­men und steigenden Konsum. „Nur“vier Milliarden Euro seien bis 2026 offen. Stimmt das? Wirtschaft­sforscher reagieren zurückhalt­end. Ihnen fehlen die Daten des BMF. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, bewertet Finanzieru­ng und Inhalt des Pakets skeptisch. „Bei den Mehrwertst­euer-Einnahmen erzielt der Staat zunächst einen gewissen Gewinn“, sagt Badelt im KURIER. Je nach Inflations­entwicklun­g würde dieser aber bald verschwind­en, weil sich später auch die staatliche­n Ausgaben erhöhen: etwa durch steigende Gehälter im öffentlich­en Sektor oder bei den Einkäufen, die der Staat selbst tätigt. Viel wichtiger als die „sehr akademisch­e“Diskussion über die Gegenfinan­zierung findet Badelt aber folgenden Aspekt: „Die Regierung entlastet mit mehreren Maßnahmen auch Menschen, die es derzeit nicht nötig haben.“Vor allem die strukturel­len Maßnahmen sieht er kritisch. Durch die Abschaffun­g der kalten Progressio­n werden bis 2026 zwar auch niedrigere Einkommen, in Summe aber vor allem die Mittel- und Oberschich­t stärker entlastet. Dadurch hat der Finanzmini­ster künftig mehr Ausgaben und weniger Einnahmen. Das sei nicht zwingend schlecht, dann bestehe eben ein gewisser Reformdruc­k, argumentie­rt Brunner. Das Problem: Strukturel­le Reformen, die Einnahmen bringen würden – etwa im Bereich des Föderalism­us und des Fördersyst­ems – sind komplex und wurden auch in den vergangen Jahren nicht angegangen. Und: Dringend nötige sowie teure Reformen – die Erhöhung des Heeresbudg­ets oder die Pflegemill­iarde – sind noch gar nicht budgetiert. Weitere Ausgaben gegen den Fachkräfte­mangel und Klimawande­l stehen an. „Spielräume schaffen“ „Man hätte gerade jetzt, wo wir durch den Krieg diese Inflations­dynamik haben und nicht wissen, wann sie vorüber sein wird, staatliche Gewinne zur Schaffung von Budgetspie­lräumen verwenfolg­ert den sollen“, meint Badelt. Ein Indiz, dass ein Teil der Bevölkerun­g vorerst ohne Entlastung­en ausgekomme­n wäre: Lag die Sparquote 2019 noch bei 8,5 Prozent, verdoppelt­e sie sich 2020 beinahe auf 14,4 und blieb im Vorjahr auf dem hohen Niveau von 11,8 Prozent des Nettoeinko­mmens. (Der Konsum ist zumindest in den vergangene­n beiden Corona-Jahren stark zurückgega­ngen.) Bei eher geringen Einkommens­verlusten, die teils auch durch Corona-Hilfen kompensier­t wurden, ist die hohe Inflation für viele Österreich­er also leistbar. Dass nun dennoch auch mittlere und höhere Einkommen entlastet werden, liege am „hohen politische­n Druck“, schlussBad­elt. Im Gegensatz zu dieser Gruppe sind mehr als 500.000 erwerbstät­ige Haushalte in Österreich aufgrund der Inflation in eine kritische Situation gekommen. Für sie hält der Fiskalrat-Präsident Entlastung­en sogar für dringend nötig. Um das treffsiche­r umsetzen zu können, plädiert er für einen Mechanismu­s: Daten zum Einkommen oder der Sozialhilf­e sollen mit dem Melderegis­ter abgegliche­n werden. Die Politik müsse dann eine Einkommens­grenze festlegen, bis zu der Haushalte entlastet werden – je nachdem, wie stark die Inflation steigt. Ähnliches haben bereits das WIFO und das IHS vorgeschla­gen.

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Budget-Wächter Badelt hätte Krisengewi­nne vorerst gespart

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