Kurier

Schlechte Nachrichte­n

- VON GERT KORENTSCHN­IG gert.korentschn­ig@kurier.at

Wenn Sie diese Zeilen lesen, gehören Sie möglicherw­eise zu den 40,6

Prozent der Österreich­er, die den konsumiert­en Nachrichte­n vertrauen (beim KURIER sind es 48 Prozent der Leserinnen und Leser, aber auch diese Zahl ist kein Ruhmesblat­t und war zuletzt wie bei allen anderen Medien rückläufig). Vielleicht sind Sie aber auch einer jener

29,2 Prozent, die Nachrichte­n generell misstrauen und sich über den Inhalt oder den Autor nur ärgern wollen. Viel Spaß!

Wie auch immer: Der Digital News Report von Reuters zeichnet ein erschrecke­ndes Bild eines mangelnden Vertrauens in klassische Medien, das ist ein weltweites Phänomen. Für den österreich­ischen Markt wird diese Entwicklun­g unter anderem mit der Inseratena­ffäre und dem daraus resultiere­nden Rücktritt von Sebastian Kurz begründet.

Nun könnten wir zum wiederholt­en Mal darüber diskutiere­n, wie gerecht oder ungerecht all das war (und dabei so richtig schön polarisier­en). Bleiben wir aber lieber bei den Medien und der Rolle der Journalist­en, deren Image nicht das beste ist und insofern durchaus vergleichb­ar mit jenem der politische­n Protagonis­ten. Und geben wir durchaus selbstkrit­isch zu: Die Medien, so gut wie alle, haben in den vergangene­n Jahren in einem immer kleiner werdenden Markt, angesichts des Verdrängun­gswettbewe­rbes gravierend­e Fehler gemacht. Sie, also auch wir, haben sich/uns wohl zu sehr auf negative Nachrichte­n gestürzt und die drohende Spaltung der Gesellscha­ft zu lange ignoriert. Konstrukti­ver Journalism­us mit lösungsori­entierten Ansätzen hat eine zu geringe Rolle gespielt. Viele Menschen haben sich daher vor den News-Torpedos in den eigenen Kokon eingewicke­lt. Journalist­ische Stärken – Recherche, Entemotion­alisierung der Inhalte, Trennung von Berichten und Kommentare­n, qualitativ­e Ansprüche bei allen Texten – wurden zu schlecht verkauft.

Schon 2007 sang die deutsche Band „Die Ärzte“in ihrem Lied „Lasse redn“davon, was man heute als Quote bezeichnen würde und wie man diese macht: mit „Angst, Hass, Titten und dem Wetterberi­cht“. Heute könnte man das um die Worte „Ausländer“, „Corona“oder „Radfahrer“ergänzen, ein paar vorurteils­behaftete Zeilen darunter schreiben – und schon gehen die Nutzerzahl­en in die Höhe.

Doch genau dieser leichten Versuchung sollten Medien widerstehe­n, gerade in schwierige­n Zeiten. Und einander nicht die Augen auskratzen. Das können Soziale Medien besser. Die werden irrtümlich für Nachrichte­nplattform­en gehalten, befeuern aber nur das gegenseiti­ge Misstrauen. Beim Lesen ist es übrigens genauso wie beim Essen: Es kommt durchaus darauf an, womit man das Hirn füttert. PS: Willkommen am Ende dieses Textes. War länger als ein durchschni­ttliches Posting.

Das Vertrauen in die Medien ist wieder gesunken. Eine gefährlich­e Entwicklun­g, deren Aufarbeitu­ng auch nach Selbstkrit­ik ruft

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