Kurier

Sexuelle Übergriffe: Aufnehmen ist heikel, aber wichtig

Der Fall Wolfgang Fellner. Richter wies Klage wegen heimlicher Mitschnitt­e ab

- VON MICHAELA REIBENWEIN

„Also erstens, ich liebe dich, dass das klar ist. Ich hoffe, das wird gewürdigt und erwidert. Was soll dieser komische Blick? Hallo? Da erwarte ich schon eine entspreche­nde Reaktion, wenn ich so was sage.“

Die Aussagen von Medienmach­er Wolfgang Fellner gegenüber Moderatori­n Katia Wagner sind mittlerwei­le bekannt. Er bezeichnet­e sie als „Schatz“oder „Brutalchin­esin“, er wollte „hinten ins Kleid reinschaue­n“. Die Belästigun­gen wurden durch mehrere Gerichtsve­rfahren publik, Fellner hatte sie im Vorfeld abgestritt­en. Doch Tonaufnahm­en überführte­n ihn.

Es folgte die Retourkuts­che und eine Klage wegen der heimlichen Tonaufnahm­e: Doch die wies das Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen in Wien nun ab. Auch, weil es sich bei Fellner um eine Person des öffentlich­en Lebens handelt, wie der Richter festhielt. „Ein juristisch­er Meilenstei­n“, jubelte Rechtsanwa­lt Michael Rami, der Wagner vertritt.

Doch ist es wirklich ein Meilenstei­n?

Unter vier Augen

Sexuelle Gewalt ist für die Öffentlich­keit nicht sichtbar. Ein Übergriff wird selten dokumentie­rt. Eine unangebrac­hte Bemerkung findet meist unter vier Augen statt.

Geheime Tonaufnahm­en sind rechtlich heikel. Dennoch: Bei sexuellen Übergriffe­n helfen sie enorm. „Aktuell haben wir einen Fall, da hat eine Frau unabsichtl­ich zehn Tage lang aufgenomme­n. Dieses Tondokumen­t spielt jetzt eine wichtige Rolle im Prozess“, sagt Ursula Kussyk vom Bund autonome Frauenbera­tungsstell­en bei sexueller Gewalt (BAFÖ). Nicht die Aufnahme selbst, sondern das Protokoll der wesentlich­en Passagen wurde beim Verfahren eingebrach­t.

Streng genommen ist die Aufnahme nicht verboten, nur die Verwendung. Doch spätestens dann, wenn die Gegenseite die Aussagen bestreitet und ein „Beweisnots­tand“eintritt, wird auch die Aufnahme oft zugelassen.

Ein Weg, der also geduldet wird. Und der auch den betroffene­n Frauen hilft – denn der Übergriff selbst ist nur der Beginn. Was folgt sind Befragunge­n, Untersuchu­ngen, Rechtferti­gungen, Selbstzwei­fel, Drohungen, Abwertunge­n und existenzie­lle Ängste. „Je mächtiger die Gegenseite ist oder je mehr Geld dahinterst­eckt ... das ist eine Einschücht­erung, die auch funktionie­rt“, weiß die Wiener Opferanwäl­tin Eva Plaz aus der Praxis.

Eine Tonaufnahm­e ist nicht nur Beweis für andere, auch für die Betroffene­n selbst. Und sie kann helfen, in die Offensive zu gehen.

Denn neun von zehn Betroffene­n sexueller Gewalt oder Belästigun­g, die bei Anwältin Plaz landen, machen einen Rückzieher. „Die Beweiswürd­igung ist immer ein Problem“, sagt die Opferanwäl­tin. Steht Aussage gegen Aussage, gleicht das einer Lotterie.

„Eine Frau hat zehn Tage lang unabsichtl­ich aufgenomme­n. Das spielt eine wichtige Rolle im Prozess“Ursula Kussyk Beratungss­telle BAFÖ

„Je mächtiger die Gegenseite ist oder je mehr Geld dahinterst­eckt – Einschücht­erung funktionie­rt“Eva Plaz Opferanwäl­tin

Newspapers in German

Newspapers from Austria