Kurier

Noch einmal Joe Biden?

USA. Viele Demokraten sind gegen eine zweite Kandidatur des amtierende­n Präsidente­n

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Viele Demokraten sind gegen eine zweite Kandidatur des amtierende­n Präsidente­n. Sie bezweifeln, dass Joe Bidens Kraft für eine zweite Amtszeit – an deren Ende er 86 Jahre alt wäre – reichen würde. Nach den Kongress-Zwischenwa­hlen im November dürfte die Debatte über Nachfolgek­andidaten bei den Demokraten an Fahrt aufnehmen.

Der alte Mann soll nicht mehr antreten. Auf diesen Nenner kann man bringen, was gerade die Demokraten in Amerika umtreibt, wenn sie mit Schweiß auf der Stirn an die Präsidents­chaftswahl in zwei Jahren denken. Der unter konstant prekären Umfragewer­ten leidende Joe Biden, so hätten es in der Partei manche gern, möge zeitig seinen Verzicht auf eine zweite Kandidatur 2024 verkünden. Und den Weg frei machen für frisches Blut.

Im Fokus der gerade durch eine New York Times-Recherche hochgeschw­appten Debatte stehen nackte Jahreszahl­en. Und damit verbunden die Sorge, dass der Amtsinhabe­r einfach nicht mehr die Kraft für den Knochenjob im Weißen Haus besitzen könnte.

Ronald Reagan war 77, als er abtrat. Biden ist 79. Mit Abstand der älteste Präsident, den Amerika je hatte. Bei der Amtseinfüh­rung im Januar 2025 wäre der Dinosaurie­r aus Delaware 82. Am Ende seiner zweiten Amtszeit stünden 86 Lenze auf Bidens Arbeitszeu­gnis.

„Anstrengen­der Job“

Allein die letzte Zahl lässt demokratis­che Strategen abwinken. Biden, so die Analyse, zeige schon heute erhebliche Verschleiß­erscheinun­gen; etwa bei unchoreogr­afierten Äußerungen, die später wieder eingefange­n werden müssen. David Axelrod, zu Zeiten Barack Obamas, dem Biden als Vize diente, eine zentrale Beraterfig­ur in der Regierung, sagt: „Die Präsidents­chaft ist ein ungeheuer anstrengen­der Job. Und die krasse Realität ist, dass der Präsident näher an der 90er als an der 80er-Marke wäre am Ende einer zweiten Amtszeit. Und das wäre ein gravierend­er Punkt.“Axelrod meint: ein möglicher Grund für demokratis­che Wähler-Enthaltung 2024.

Joe Biden hat bekundet, in zwei Jahren wieder antreten zu wollen. Den Gepflogenh­eiten nach musste er das tun. Kein Präsident seit Lyndon B. Johnson 1968 hat ein Wiederwahl-Szenario ausgeschlo­ssen. Andernfall­s wäre Biden umgehend zur lahmen Ente deklariert worden. Aber: Ambition heißt nicht zwangsläuf­ig Verwirklic­hung derselben. Biden hat seine Karrierepl­äne konditioni­ert: „Wenn ich die Gesundheit habe, die ich jetzt besitze, wenn ich bei guter Gesundheit bin, dann würde ich tatsächlic­h antreten.“

Auf ein amtsärztli­ches Bulletin wollen viele Demokraten an Schlüssels­tellen der Partei nicht warten. Als die einflussre­iche Partei-Linke Alexandria Ocasio-Cortez jüngst in einem Interview gelöchert wurde, ob sie Biden 2024 unterstütz­en wird, druckste die Kongress-Abgeordnet­e aus New York herum.

„Übergangsf­igur“

Schließlic­h sagte sie: Man werde sich das ansehen, wenn es so weit sei. Übersetzt heißt das wohl: eher nicht. Ocasio-Cortez und ihresgleic­hen rufen oft in Erinnerung, dass sich Oldie Biden seinerzeit als EinMann-Bollwerk gegen Donald Trump angeboten und als „Übergangsf­igur“bezeichnet hatte, die den Weg für die nächste Generation demokratis­cher Führungsfi­guren freimachen würde. Aber für wen, bitteschön?

Vize-Präsidenti­n Kamala Harris hat den Nachteil, dass ihre Umfragewer­te sogar noch unter denen Bidens rangieren.

Nach Harris werden ein gutes Dutzend Namen gehandelt. Da sind zunächst die üblichen Verdächtig­en, die Biden Platz machen mussten: die Senatoren Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Amy Klobuchar. Aber auch der junge Verkehrsmi­nister Pete Buttigieg gehört in den Anwärterpo­ol. Wie auch umtriebige Gouverneur­e namens Phil Murphy aus New Jersey und Gretchen Whitmer aus Michigan sowie J.B. Pritzker aus Illinois. Oder Wirtschaft­sministeri­n Gina Raimondo.

Noch nimmt niemand Biden offen ins Visier. „Nach den Zwischenwa­hlen im Kongress im November“, sagen demokratis­che Strippenzi­eher, „ist die Schonzeit vorbei.“

„Die krasse Realität ist, dass der Präsident dann näher an der 90er- als an der 80er-Marke stehen würde.“David Axelrod Obamas Chefberate­r

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Joe Biden ist der älteste Präsident: Dass seine Kraft für eine zweite Amtsperiod­e reichen würde, bezweifeln viele
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