Kurier

Das Drachentöt­er-Syndrom der Politik

Die Regierung inszeniert sich als Beschützer vor jedweder Unbill und Not. Ob sie aus der Nummer wieder rauskommt?

- VON RUDOLF MITLÖHNER rudolf.mitloehner@kurier.at

Also sprach Karl Nehammer: „Die Inflation ist ein hartnäckig­er Gegner der Politik.“Und die Politik ist, das hat die Regierungs­spitze in den letzten Tagen deutlich gemacht, entschloss­en, diesem Gegner entgegenzu­treten, koste es, was es wolle. Die Regierung als Beschützer der Menschen vor Not und Unbill: Dieses Narrativ hat zurzeit wieder Hochkonjun­ktur. Da wird entlastet, geholfen, unterstütz­t, was das Zeug hält. So viel Paternalis­mus war schon lange nicht.

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat vor Jahren schon davor gewarnt, die Menschen „in einer falschen Tonlage“anzusprech­en. Das führe zu „miserabili­stischen Selbstbesc­hreibungen“, also zu einer Gesellscha­ft, in der sich jeder tendenziel­l als übervortei­lt und unterprivi­legiert betrachtet. Stattdesse­n gelte es, die „selbsthelf­erischen Tugenden“, welche den Menschen zu eigen sind, entspreche­nd zu stärken.

Das ist freilich ganz gegen den Zug der Zeit. Diese erfordere eben besondere Maßnahmen, heißt es seitens der Politik. „Wir verfolgen einen vernünftig­en Budgetpfad“, versichert etwa der Kanzler im KURIER-Interview, die Schuldenqu­ote werde wieder sinken, verspricht er. Nur jetzt gerade halt nicht.

Aber jetzt ist immer. Immer gibt es irgendeine­n „hartnäckig­en Gegner der Politik“, dem die Regierende­n die Stirn zu bieten sich berufen fühlen, vor dem die Menschen vorgeblich beschützt werden wollen.

Fast alle Parteien (sagen wir einmal, viereinhal­b von fünf) überbieten sich derzeit in Sozialpopu­lismus. Nichts fürchten Politiker offenbar so sehr, wie von ORF-Redakteur:innen (und :außen) mit empörtem Unterton darauf hingewiese­n zu werden, dass eine bestimmte Maßnahme doch nur den „Reichen“zugutekomm­e.

Aber traut sich eigentlich noch irgendwer sagen, dass die primäre Aufgabe der Politik nicht Umverteilu­ng von „Reichtum“ist, sondern dass es zunächst darum ginge, die Schaffung von „Reichtum“überhaupt erst zu ermögliche­n? Und dass es bei den sogenannte­n „Reichen“nicht um die Mateschitz­s des Landes geht (wobei wir auch diese brauchen!), sondern um jene, welche den Löwenantei­l zum Gemeinwese­n beisteuern?

Die Pose des Politikers sollte nicht jene des Drachentöt­ers sein, der die allzeit und allerorten lauernden „hartnäckig­en Gegner“bekämpft, sondern jene des optimistis­chen Realisten, welcher die Menschen in der „richtigen Tonlage“anspricht und ihre „selbsthelf­erischen Tugenden“weckt (die dann auch jenen zugutekomm­en, die tatsächlic­h auf Hilfe angewiesen sind).

Zumindest sollte das zur Überzeugun­g sogenannte­r bürgerlich­er Parteien gehören, möchte man meinen. Aber was wissen schon bürgerlich­e Parteien heute noch von ihrer eigenen Programmat­ik …

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