„Durchseuchung im Sommer“hilft für den Herbst
Infektionszahlen könnte ihren Höhepunkt im Juli erreichen und viele Urlaubspläne durchkreuzen
Genetiker Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist Experte für die Bestimmung von Virus-Varianten.
KURIER: Die neuen Omikron-Varianten sind im Anmarsch, wie gefährlich sind BA.4 und BA.5 tatsächlich? Ulrich Elling: Aufgrund der Umgehung des Immunschutzes bemerken wir nun dramatische Steigerungen der Inzidenzen. Seit dem Wegfall der Maßnahmen hat die Abnahme von BA.2 aufgehört und gleichzeitig sehen wir nun akute Steigerungen von BA.4 und BA.5. Wir reden von sehr hohen Inzidenzen, die auf uns zukommen. Es könnte in ähnliche Bereiche gehen wie im Winter.
Wann rollt die Welle so richtig an?
Wir beobachten derzeit eine wöchentliche Verdoppelung von BA.4/BA.5, sogar schon mehr. Inzwischen ist BA.4/BA.5 die dominante Variante in Österreich. Damit ist ab jetzt auch mit stark steigenden Zahlen zu rechnen. Wir gehen im Moment davon aus, dass die tägliche Zahl an Neuinfizierten im Sommer 30.000 übersteigen wird, das hängt aber auch stark davon ab, wie viel getestet wird.
Wann rechnen Sie mit einem Höhepunkt der Sommerwelle?
Die Welle kommt mit einer solchen Geschwindigkeit, dass wir sie ohnehin nicht stoppen könnten, selbst wenn wir es versuchen. Ich rechne im Juli mit dem Höhepunkt.
Genau in die Urlaubszeit hinein.
Ja, es wird womöglich viele Menschen treffen, die im Urlaub krank sind oder den Urlaub gar nicht antreten können. Deswegen empfehle ich allen, die auf Urlaub fahren, schon in der Woche zuvor sehr vorsichtig zu sein, damit sie ihren wohlverdienten Urlaub genießen können.
Woran liegt es, dass die Zahlen so stark steigen?
Einerseits hat sich mit BA.4/BA.5 einfach schon wieder eine ImmunfluchtMutante gebildet, andererseits hat sich unser Verhalten umgestellt, weil wir nicht mehr bereit sind uns einzuschränken. Deswegen sinkt ja nun nicht einmal mehr BA.2. Ich bin selber schon irgendwo zwischen Fatalismus und Galgenhumor.
Hilft eine Sommerwelle nicht auch im Herbst, wenn dann die nächste Welle anrollt?
Ironischerweise ist eine Durchseuchung im Sommer eine relativ effiziente Vorbereitung für den Herbst. Aber nur, falls es zu einem Omikronherbst kommt. Wenn man die Zahl der Infizierten und Toten in Portugal beobachtet, sind sie schon wieder nahe an der ersten OmikronWelle. Das führt natürlich zu einer hohen Immunität. Wenn also keine neue Variante kommt, könnte das die Winterwelle abmildern oder nach hinten verschieben. Man sieht das gut in Südafrika, dort baut sich alle halben Jahre eine neue Welle auf. Es könnte aber auch passieren, dass eine ganz neue Variante kommt, gegen die wir keinen Schutz haben. Die Langfassung des Interviews auf kurier.at/wissen