Kurier

Die Uraufführu­ng von „Depois do silêncio“: Lichtbilde­rvortrag als Aufruf zum Widerstand

Festwochen: Christiane Jatahy prangt Missstände in Brasilien an

- THOMAS TRENKLER KURIER-Wertung:

Kritik. Für „Depois do silêncio“, den letzten Teil ihrer „Trilogy of Horror“, kehrte die brasiliani­sche Autorin, Regisseuri­n und Filmemache­rin Christiane Jatahy, geboren in Rio de Janeiro, in ihre Heimat zurück. Ausgangspu­nkt für ihre Beschäftig­ung mit Sklaverei, Rassismus und Klassenkam­pf bildete, wie im „papierfrei­en“Programmhe­ft der Wiener Festwochen nachzulese­n ist, der noch nicht auf Deutsch veröffentl­ichte Roman „Torto Arado“von Itamar Vieira Júnior. Dieser sei auf Basis tiefgreife­nder Recherchen in einer „comunidade­s“entstanden.

Weit offensicht­licher in der Lecture-Performanc­e mit Kundgebung­scharakter, die am Mittwochab­end im nicht ausverkauf­ten Odeon ihre Uraufführu­ng erlebte, ist die Verwendung von Eduardo Coutinhos Doku „Cabra Marcado Para Morrer“über João Pedro Teixeira, einen Anführer der Bewegung für das Recht auf Land in Brasilien. Er wurde 1962 erschossen.

Dessen angebliche Urenkelin Lian Gaia schickt sich nun an, den Mord zu rächen. Zusammen mit Juliana França und Gal Pereira gestaltet sie eine Art poetisch angehaucht­en, dennoch knallharte­n Lichtbilde­rvortrag: Die drei Schauspiel­erinnen führen das Publikum in „ihr“gemeinsame­s Dorf. Es gibt schöne Landschaft­saufnahmen, tragische Geschichte­n, große Armut und Interviews mit alten Bewohnerin­nen.

In den projiziert­en Videos erkennt man auch Aduni Guedes, der auf der kargen Bühne (mit zwei Arbeitstis­chen) als Percussion­ist und Geräuschem­acher für den emotional passenden Sound sorgt. Realität und Fiktion vermischen sich, man wird mit Details und Text überforder­t. Die Aneinander­reihung endet nach fast zwei Stunden in einem furiosen Finale. Ein 70-Minüter hätte aber durchaus gereicht, um die Aussage zu kapieren: Es lebe die Revolution!

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