Die Uraufführung von „Depois do silêncio“: Lichtbildervortrag als Aufruf zum Widerstand
Festwochen: Christiane Jatahy prangt Missstände in Brasilien an
Kritik. Für „Depois do silêncio“, den letzten Teil ihrer „Trilogy of Horror“, kehrte die brasilianische Autorin, Regisseurin und Filmemacherin Christiane Jatahy, geboren in Rio de Janeiro, in ihre Heimat zurück. Ausgangspunkt für ihre Beschäftigung mit Sklaverei, Rassismus und Klassenkampf bildete, wie im „papierfreien“Programmheft der Wiener Festwochen nachzulesen ist, der noch nicht auf Deutsch veröffentlichte Roman „Torto Arado“von Itamar Vieira Júnior. Dieser sei auf Basis tiefgreifender Recherchen in einer „comunidades“entstanden.
Weit offensichtlicher in der Lecture-Performance mit Kundgebungscharakter, die am Mittwochabend im nicht ausverkauften Odeon ihre Uraufführung erlebte, ist die Verwendung von Eduardo Coutinhos Doku „Cabra Marcado Para Morrer“über João Pedro Teixeira, einen Anführer der Bewegung für das Recht auf Land in Brasilien. Er wurde 1962 erschossen.
Dessen angebliche Urenkelin Lian Gaia schickt sich nun an, den Mord zu rächen. Zusammen mit Juliana França und Gal Pereira gestaltet sie eine Art poetisch angehauchten, dennoch knallharten Lichtbildervortrag: Die drei Schauspielerinnen führen das Publikum in „ihr“gemeinsames Dorf. Es gibt schöne Landschaftsaufnahmen, tragische Geschichten, große Armut und Interviews mit alten Bewohnerinnen.
In den projizierten Videos erkennt man auch Aduni Guedes, der auf der kargen Bühne (mit zwei Arbeitstischen) als Percussionist und Geräuschemacher für den emotional passenden Sound sorgt. Realität und Fiktion vermischen sich, man wird mit Details und Text überfordert. Die Aneinanderreihung endet nach fast zwei Stunden in einem furiosen Finale. Ein 70-Minüter hätte aber durchaus gereicht, um die Aussage zu kapieren: Es lebe die Revolution!