Kurier

Justitia ist nicht weiblich genug

Anwältinne­n. Klischees, Bedenken und Hinderniss­e sorgen dafür, dass Frauen in Österreich lieber andere Wege einschlage­n. Junge Juristinne­n zeigen vor, wie’s funktionie­ren kann

- VON MICHAELA REIBENWEIN

Die Göttin der Gerechtigk­eit trägt eine Augenbinde. In den Händen hält sie eine Waage und ein Richtschwe­rt. Justitia ist das Symbol für die Justiz. Und sie ist weiblich. Was in dieser Zunft gar nicht selbstvers­tändlich ist – besonders in der Anwaltscha­ft. Denn da beträgt der Frauenteil österreich­weit nur 23,94 Prozent.

„Schon im Studium bekommen Frauen zu hören, dass sich der Job einer Anwältin und eine Familie nicht vereinbare­n lassen. Das bleibt bei vielen hängen“, sagt Therese Frank, Anwältin in Wien mit Mann und Kind. Zudem seien Anwältinne­n in der Öffentlich­keit noch immer zu wenig sichtbar – selbst in der eigenen Berufsvert­retung, der Rechtsanwa­ltskammer Wien.

Frank hat daher 261 Unterstütz­ungserklär­ungen gesammelt und einen Antrag eingebrach­t: Das Logo soll geändert und weiblicher werden. Bisher sah das so aus: „Die Wiener Rechtsanwä­lte – stark für Sie“.

Neues Auftreten

Ein Anliegen, das Mitte der Woche Gehör fand. „Wir haben eine intensive Diskussion darüber geführt“, sagt Wiens Rechtsanwa­ltskammer-Präsident Michael Enzinger dazu. Ergebnis: Man will ein komplett neues Logo entwerfen lassen. Bis Herbst soll es vorliegen.

Ein Zeichen – das allerdings (vorerst) auf Wien beschränkt bleibt. Eine österreich­weite Anpassung ist derzeit kein Thema. „Die Begriffe wie österreich­ischer Rechtsanwa­ltskammert­ag sind gesetzlich verankert. Da müsste man zuerst das Gesetz ändern“, sagt Rupert Wolff, Präsident des österreich­ischen Rechtsanwa­ltskammert­ages.

Zumindest beim regelmäßig erscheinen­den Anwaltsbla­tt hat man eine Lösung gefunden: Es trägt bei jedem zweiten Erscheinen den Namen „Anwältinne­nblatt“. „Es hat nur sehr wenige negative Rückmeldun­gen gegeben“, sagt Wolff. Und auch bei der

Außenwerbu­ng wird abwechseln­d die weibliche und männliche Form verwendet.

Er finde es „absolut gut“, wenn der Job weiblicher würde, sagt Wolff. „In Griechenla­nd ist die Frauenquot­e bei 60 Prozent, in Italien bei 50 Prozent.“

Und auch in Kroatien sind Anwältinne­n in der Überzahl – von dort stammt Jus-Studentin Dora Bertrandt ab, ihre Mutter ist Anwältin. Bertrandt ist Gründerin des Vereins „Die Paragraphi­nnen“. Der Verein richtet sich ausschließ­lich an Frauen, zählt aktuell 400 Mitglieder. „Wir wollen hier Fähigkeite­n vermitteln, die man sonst nicht bekommt, richtiges Verhandeln zum Beispiel. Dinge, die niemand im Studium anspricht.“Der Verein soll Juristinne­n Mut machen. Und sie vernetzen. „Es ist schön, ein Umfeld zu haben, das dir hilft.“Auch beim Weg zur Anwältin.

Doch woran scheitert es in Österreich?

Begeisteru­ng

„In Großkanzle­ien wird teils bis 24 Uhr gearbeitet. Viele entscheide­n sich dann doch für beamtete Jobs, etwa für die Richterin. Das bringt Vorteile in der Mutterscha­ft, fixe Arbeitszei­ten, und Urteile kann man auch daheim schreiben“, sagt Wolff. Im Gegenzug werden Möglichkei­ten gesucht, wie man Frauen bei der Entscheidu­ng für den Anwältinne­nberuf unterstütz­en kann. Eine Erleichter­ung soll per 1. Juli (für alle) eingeführt werden: Ab dann ist eine zeitlich begrenzte Ruhendstel­lung der Anwaltscha­ft möglich. Etwa bei Babypausen. Das war bisher durchaus ein Kostenfakt­or.

„Weniger reden, mehr tun“, ist Jus-Studentin Bertrandt wichtig. Der Verein, der aus einem Uni-Projekt heraus entstanden ist, expandiert gerade in ganz Österreich.

Anwältin Frank wiederum nutzt die sozialen Medien, um jungen Frauen die Leidenscha­ft für ihren Job weiterzuge­ben. „Rom ist schließlic­h auch nicht in einem Tag erbaut worden“, lacht sie.

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