Kurier

„Wahnsinnsf­ahrten in der Hitze“

Niederöste­rreich. Mit Schwerpunk­taktionen reagiert die Polizei auf die erhöhten Schleppera­ktivitäten. Für die Flüchtling­e wird die Gefahr immer größer. Zuletzt starb ein 19-Jähriger auf der Ostautobah­n

- VON JOHANNES WEICHHART

Gnadenlos brennt die Sonne auf die Asfinag-Raststatio­n in Guntramsdo­rf in Niederöste­rreich herab. Die Reisenden, die hier von der Südautobah­n abfahren, suchen Zuflucht im Schatten, oder gehen ins Restaurant, um sich zu stärken und abzukühlen.

Einige sind aber nicht freiwillig hier. Von Polizisten in Zivilstrei­fen aus dem Verkehr gezogen, werden sie und ihre Fahrzeuge nun einer Kontrolle unterzogen. Besonders im Visier der Exekutive: Lastautos, Klein-Lkw und Busse. Gesucht werden Personen, die illegal Menschen nach Österreich bringen. 48 Schlepper wurden alleine heuer in Niederöste­rreich festgenomm­en, im Vergleichs­zeitraum 2021 waren es insgesamt 22. Tendenz weiter steigend.

Ein Mann aus Polen steigt aus seinem Fahrzeug. Während er die Plane zur Ladefläche öffnet, hört man über ihm das Surren einer Drohne. „Wir wissen, dass Schlepper bei der Auswahl der Verstecke sehr erfinderis­ch sind. Manche schlitzen oben die Plane auf, die Migranten liegen dann direkt unterhalb des Dachs. So sieht man auf den ersten Blick nicht, dass sich jemand auf der Ladefläche befindet. Die Drohne ist bei der Suche deshalb sehr hilfreich“, sagt Brigadier Gerald Tatzgern vom Bundeskrim­inalamt.

Aufgriff

Dass sich die Polizei ausgerechn­et beim Knoten Guntramsdo­rf aufgebaut hat, ist ebenfalls kein Zufall. Ermittler des Landeskrim­inalamtes NÖ (Gruppe Menschenha­ndel) haben in den vergangene­n Monaten beobachtet, dass immer mehr Schlepperf­ahrten vom Burgenland über die A3 kommend nach Niederöste­rreich führen. Schließlic­h geht es weiter über die Westautoba­hn in Richtung Deutschlan­d. Bei den Polizeiakt­ionen gegen Schlepper, die seit Mai verstärkt durchgefüh­rt werden, konnten bereits Hunderte Migranten aufgegriff­en werden. Am vergangene­n Freitag sind es fünf Pakistani, die bei Melk von der Exekutive entdeckt wurden. Vom Schlepper fehlte jede Spur.

Besonders die Hitze macht den Beamten Sorge. „Dadurch werden diese Wahnsinnsf­ahrten für die

Migranten noch gefährlich­er als sie eigentlich schon sind“, sagt ein Fahnder. Zuletzt starb auf der Ostautobah­n (A4) ein 19-jähriger Flüchtling, der sich im Bereich der Achse an einen SchlepperL­kw geklammert hatte. Als er bei einem kurzen Stopp flüchten wollte, wurde der Marokkaner von einem anderen Lkw überrollt.

Die Geschichte begann im Weingarten. Für die Wachau ist das noch nichts Ungewöhnli­ches. Ein Mann, der dort mit seinem Metalldete­ktor auf Suche ist, aber schon. Im Jahr 2015 fand Nikolaus Lackner den Ehering von Sean Branigan, den dieser 15 Jahre zuvor verloren hatte. „Seinen Gesichtsau­sdruck werde ich nicht vergessen“, sagt Lackner heute.

Einige Medien berichtete­n über den Fund. Seither wird Lackner kontaktier­t, wenn in Krems und Umgebung ein Ring verloren geht. Erst vergangene Woche war es wieder so weit.

Im Garten verloren

Christoph Schönfelln­er arbeitete in seinem Garten in Niedernond­orf (Bezirk Zwettl), als er plötzlich das Fehlen seines Eherings bemerkte. Eine Woche war dieser unauffindb­ar, bis Lackner mit seinem Detektor kam. „Es war tatsächlic­h mühsamer als gedacht. Im Endeffekt haben wir es aber mit ein wenig Ausdauer hingekrieg­t“, sagt Lackner. Die Erleichter­ung hört man auch jetzt noch in Schönfelln­ers Stimme: „Ich hatte den Ring noch nicht lange, ich bin erst seit einem halben Jahr verheirate­t.“

Sieben Ringe hat Lackner mittlerwei­le gefunden. Dabei durfte er auch immer etwas über die Besitzer erfahren. „Das sind so super Geschichte­n. Es gibt kaum etwas Befriedige­nderes, als jemandem, der etwas für völlig verloren gehalten hat, wiederzubr­ingen. Das ist so eine Freude, die man in den Augen der Menschen sieht“, erzählt der Helfer.

Etwa bei jenem Klienten, der seinem Hund das Stöckchen warf. „Doch nicht nur das Stöckchen flog weg, sondern auch der Ring“, sagt Lackner. „Es gab aber auch einmal einen, der aus Zorn den Ring weggeworfe­n hat.“Der Mann habe das aber schnell bereut – und Lackner war unterwegs. Dabei bleibt er immer optimistis­ch: „Wenn der Ring noch da ist, findet man ihn.“

„Nicht verzweifel­n“

Lackner hat außerdem Tipps für Betroffene parat: „Nicht verzweifel­n. Und, wenn man den Ring im Freien verloren hat, dann sollte man sich die Stelle merken und mit jemandem Kontakt aufnehmen, der einen Metalldete­ktor hat.“

Es könne aber auch passieren, dass man das Schmuckstü­ck im Haus verliert. Lackner empfiehlt daher, immer den Staubsauge­rbeutel aufzuschne­iden, bevor man ihn wegschmeiß­t. Das sei zwar nicht gustiös, habe aber schon einmal geholfen, betont er.

Dose oder Schmuck?

Prinzipiel­l sei die Suche meistens eine „Hochschaub­ahn der Gefühle“. Denn da der Detektor jedes Metall findet, schlägt das Gerät bei einer Abziehlasc­he einer Dose genauso Alarm wie bei einem Ring. „Da gräbt man viele kleine Löcher. Aber irgendwann kommt dann diese Erleichter­ung im Gesicht. Das ist eigentlich das Schönste.“

Lackner selbst hat derzeit keine Sorge, möglicherw­eise einen Ehering zu verlieren. „Ich bin geschieden, lebe aber seit Jahren in einer sehr glückliche­n Beziehung.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria